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Cover Reise zum inneren Avatar    Leseprobe "Reise zum inneren Avatar"

von Mirjam Wyser

Taschenbuch, 250 Seiten, ISBN: 978-3-96050-176-3

INHALT

Erster Teil
  Magie ist Wissenschaft, die wir noch nicht verstehen
  Die Begegnung
  Gabriel und Flora
  Das Krankenhaus
  Der Burn-out Patient
  Die alte Dame
  Organspenden
  Das etwas andere Kind
  Der Patient aus Übersee
  Der Pilgerweg nimmt seinen Lauf
  Wanderer in zwei Welten
  Irgendwo im Kosmos steht er, der Wald der Magie
  Der Kobold stellt Fragen
  Der Mond und die Sterne leuchten Gabriel den Weg
  Der Silbersee
  Der alte Mann
  Der Mensch ein Schlafwandler
  Ein Sturm wie schäumende Pferde
  Der Königsbaum singt sein Lied
  Der Rucksack
  Orakel zu Delphi
  Das weiße Pferd
  Das Licht wird größer und heller
  Der goldene Drache
  Die Himmelsleiter
  Eine Hexe
  Seelenlichter wie Luftballone
  Klagemauer
  Die Seelen fangen an zu schwingen
  Die innere Freiheit
Zweiter Teil
  Rückblick in die Römerzeit
  Er findet sie wie die Stecknadel im Heuhaufen
  Die letzte Schlacht
  Endlich! Ein Wiedersehen!
  Im Reich der Verstorbenen
  Die unterirdischen Gänge
  Wirkliche Liebe stirbt nie
  Abschied
  Der Königsbaum
  Justus´ Familie
  Gabriel und Flora zurück im 21. Jahrhundert
  Der Löwe
  Die letzten schönen Herbsttage
  Esoterik hat viele Gesichter
  Sympathie und Antipathie
  Sie hängen ihren Gedanken nach
  Sie durchschreiten einen Torbogen
  Die rosarote Rose
  Das Einhorn
Dritter Teil
  Dreizehn Tore öffnen sich
  Ein Raum mit dreizehn Türen
  Das erste Tor: die Krippe
  Das zweite Tor: der Dämon
  Das dritte Tor: die Asche
  Das vierte Tor: zwei weiße Pferde
  Das fünfte Tor: das Einhorn
  Das sechste Tor: das Gedankenchaos
  Das siebte Tor: die Entrümpelung
  Das achte Tor: die Lichtexplosion
  Das neunte Tor: zwei Schwerter
  Das zehnte Tor: die Gralsschale
  Das elfte Tor: die Waagschale
  Das zwölfte Tor: das Gralslicht
  Das dreizehnte Tor: die Tafelrunde
  Ritter im Geiste

Erster Teil

Mystik ist, im Dschungel des Lebens den Königsweg zu finden, der zur Krönung aller Dinge führt!

Der Schulungsweg zweier Menschen zum Avatar wird in diesem Buch, zum Teil in symbolischen Bildern, erzählt. Der Avatar ringt nach Erkenntnis, nach der Flamme der Wahrheit, die nie verlöscht. Doch ohne Mühe gibt es keinen Erfolg.

Die breite Allgemeinheit glaubt gewöhnlich, die Mystik sei etwas absolut Unverständliches, ein nebelhafter, schattenhafter, unerklärlicher Begriff. Doch die Mystik ist keine bloße Theorie, sondern ein Erlebnis.

Den mystischen Weg zur geistigen Entwicklung gab es immer, bei allen Völkern und zu allen Zeiten. Im alten Atlantis, in Ägypten, in Indien, in der persischen, griechischen und römischen Kultur. Bei den Gnostiker und bei Mystiker des Mittelalters, bei den Rosenkreuzern, den Templern usw.

Christus kam nur auf die Welt, um den mystischen Weg so anschaulich zu zeigen, wie es noch niemand vor ihm getan hat. Aber derselbe Weg war schon in uralter Vergangenheit bekannt. Denn es ist der Weg der kosmischen Entwicklung. Der Weg zum Übersinnlichen ist der Weg des Guten. Je höher der Mensch zur höchsten Kraft des Weltalls emporsteigt, desto verantwortlicher wird er.

Magie ist Wissenschaft, die wir noch nicht verstehen

Grundfrage eines jeden Menschen ist: »Was ist das Wesentliche in diesem Leben für mich?«

Es ist das eigene Wesen, das uns zum Wesentlichen in der Welt führen kann. In der heutigen Zeit inkarniert zu sein, bedeutet, nie da gewesene Möglichkeiten zu haben. Aber auch wissen zu können, was im letzten Winkel des Erdballs geschieht. Die größte Herausforderung in diesem Jahrhundert ist, sich aus eigener Kraft eine innere Oase der Stille zu schaffen. Lernen, innerlich zu sehen und zu hören.

Die Sehnsucht nach spirituellen Erkenntnissen hat immer etwas Geheimnisvolles. Warum forschen wir überhaupt nach dem Geistigen?

Über Mystik ist schon viel geschrieben worden. Es mag wenige Dinge geben, die ebenso viele glühende Feinde wie Freunde haben wie die Mystik, denn jedermann, der sich nur flüchtig damit beschäftigen möchte, merkt bald, dass er hier an Grenzen stößt. Hier geht es ums Ganze. Sein oder Nichtsein, Trug oder Wahrheit? Alles Physische hat hinter sich ein Geistiges, alles Geistige wird bis ins Physische hinein wirksam. Der wahre Weg in das geistig wirkliche Erkennen ist, dem inneren Ruf zu folgen, nach Höherem zu streben. In sich hinein zu horchen und die Türe zur anderen Welt zu öffnen. Sich auf eine Seelenreise einzulassen, die zu unbekannten Ufern führt.

Der menschliche Geist ist ein Instrument für etwas, das höher ist als er selbst, und dieses unbekannte Etwas ist das eigene Selbst. Die Suche nach Licht, Leben und Liebe, die sich zum Höchsten entwickeln kann, beginnt auf der materiellen Ebene.

Oft wird die Gier nach wirksamen Ablösungstechniken zu reinem Konsumverhalten. Der extreme Ausdruck davon ist der Gebrauch von Drogen. Es ist naiv zu denken, es sei ein Gratiseintritt ins Übersinnliche. Möglichst einfach und schnell ohne persönliche Anstrengungen in einen Erfahrungsbereich zu gelangen, der neue, ungeahnte Erlebnisse verspricht. Die Welt des Übersinnlichen ist jedoch nicht käuflich wie ein Gegenstand im Supermarkt. Die eigene Verantwortung für die Kontinuität des Ich-Bewusstseins zu finden, ist gefragt.

Versucht man infrage zu stellen, was solche Suchenden in der Meditation erlebt haben, bekommt man oft die Antwort: »Ich bewegte mich in reinem Licht. Das Erlebte in Worte zu fassen, ist fast nicht möglich, weil solche Erlebnisse nicht von dieser Welt sind!«

Das mag unbestritten richtig sein. Doch ist es wirklich erlebt oder nur die Schilderung von Gelesenem? Schlussendlich kann sich jeder Mensch diese Fragen nur durch die persönliche innere Erfahrung beantworten. Unsere Welt ist voller Geheimnisse und Wunder. Die Existenz von Seele und Geist wird von manchen Leuten geleugnet. Radio, Fernseher, Ultra­schall, Mikrowellen und so weiter sind auch nicht im Reagenzglas oder unter dem Mikroskop sichtbar. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen immer mehr mit dem Übersinnlichen Kontakt aufnehmen müssen, sonst kommen sie mit dem Leben immer weniger zurecht.

Was erlebt die Seele wirklich auf dem inneren Schulungsweg? Unsere Seele löst sich vom Körper, äußerlich bleiben wir bewusstlos. Nur in den Träumen leuchtet manchmal etwas in uns auf, das erahnen lässt, dass auch im Schlaf etwas von uns durchlebt wird. Die Neugeburt der Seele offenbart sich durch die Eröffnung der inneren Sinne. Durch übersinnliches Schauen. Streben nach Höherem bedeutet, sich zu verwandeln, von einem Zustand in den anderen überzugehen.

In diesem Buch wird versucht, dem inneren Unbekannten ein Gesicht zu geben. Die Gefühle und die Seelenstimmungen von zwei Menschen werden mit dem tieferen Sinn in Bilder gefasst, symbolisch die Geistige Welt zu erklären. Dazu braucht es keine sogenannten irdischen Meister. Das Leben selbst ist der beste Lehrmeister. Der Himmel verlangt nicht, dass die Menschen vollkommen sein müssen, sondern daran arbeiten.

Wer unbedingt eine bestimmte Methode anwenden will, der schaue genau das Weltbild an, welches dieses Hilfsmittel symbolisiert. Je entwickelter jemand ist, umso unabhängiger wird er von Hilfsmitteln jeglicher Art. Der Weg der inneren Schulung braucht viel Geduld, Demut und Moral.

Religionslehren sind nichts anderes als der Versuch, die Menschen wieder in die Beziehung mit der unsichtbaren Welt zu bringen, aus der sie eigentlich stammen und die ihre wirkliche Heimat ist.

Durch eine innere Schau gelingt den Protagonisten dieses Buchs, Gabriel und Flora, der Durchbruch ins Mysterium. Der tiefere Sinn von zwei Inkarnationen wird in Zusammenhang gebracht. Niemand kann vor seiner Persönlichkeit fliehen, sie muss zu einem Absoluten umgewandelt werden. Magie ist Wissenschaft, die wir noch nicht verstehen.

Die Begegnung

Die Glocke schrillt. Mittagszeit! Die Türen werden aufgerissen und die eben noch menschenleeren Gänge bevölkern sich schlagartig. Wie Ameisen strömen die Studenten aus dem Hörsaal. Der Fokus richtet sich auf eine Gruppe junger Frauen, angehende Medizinerinnen. Angeregt diskutieren sie über die gehörte Vorlesung.

Im Gebäude nebenan, an der Technischen Hochschule, werden Ingenieure ausgebildet. Eine Gruppe junger Männer hat gerade eine Prüfung abgelegt. Im gemeinsamen Gespräch versucht jeder herauszufinden, wie er dabei abgeschnitten hat. Einer davon ist Gabriel. Er nickt zufrieden vor sich hin. Sicher kann er mit einer ausreichend guten Note rechnen.

Draußen ist ein unfreundlicher Herbsttag. Die Studenten beschleunigen ihre Schritte. Der Hunger mag ein Grund sein, doch in diesem Nieselregen möchte man sich möglichst kurz aufhalten. Die jungen Medizinstudentinnen haben ihre bunten Regenschirme aufgespannt und gehen direkt auf die Ingenieure zu.

Und jetzt steht sie vor ihm, die Medizinstudentin Flora. Gabriel fühlt sich, als ob er auf einer Wolke schweben würde, alles um ihn herum tritt in den Hintergrund, er hört und sieht nichts mehr. Floras und Gabriels Blicke haben einander fixiert. Das ist Liebe auf den ersten Blick!, denken beide gleichzeitig. Erst später verraten sie einander die Plötzlichkeit des Schmetterlingsgefühls.

Sie wäre mir immer ins Auge gestochen, auch wenn ich aus tausend Frauen hätte auswählen müssen. Wieso gerade sie und keine andere? Das ist die Magie der Liebe, niemand kennt das Geheimnis!, denkt Gabriel.

Diese elektrisierenden Gedanken jagen wie Blitze durch seinen Kopf. Er muss einen guten Grund finden, um diese zauberhafte Frau anzusprechen. Doch seine Begleiter sind ihm bereits einen Schritt voraus, denn sie haben die jungen Damen in ein Gespräch verwickelt.

Wenn der Funke überspringt und zum Feuerwerk der Liebe wird, gibt es eigentlich keine falschen Worte!, ist Gabriel gerade bewusst geworden. Beide Gruppen nehmen gemeinsam in der Mensa das Mittagessen ein. Von nun an befinden sich Gabriel und Flora in einer glücklichen Beziehung.

Auf der anderen Seite des Lebens lebt ein stolzer, weiser Kobold. Aus unsichtbaren Gefilden hat er dem neuen Liebespaar zugeschaut! Er und mit ihm weitere Kobolde und geistige Wesen nicken zufrieden. Die Freude der Anwesenden wird bis in die Baumkrone des Königsbaumes hinaufgetragen, unter dem alle versammelt sind. Sein Geäst schwingt in sanften Bewegungen mit den unausgesprochenen Worten der zustimmenden Freude.

Der weise Kobold ist der Beschützer dieses Baumes. Er kennt dessen Geschichte von den Menschen, die diesen Königsbaum während hunderten von Jahren erschaffen haben, bis ins kleinste Detail. Immer wieder erzählt er seinen anwesenden auserwählten Freunden diese unendliche Geschichte, denn sie wird wieder weiter und weiter geschrieben.

Als Zuhörer auf der anderen Seite des Lebens wurden erstmals zwei Menschenseelen ausgewählt. Mit der Erlaubnis aus der Geistigen Welt dürfen sie die Geschichte auf der Erde weitererzählen. Das Lebensschicksal wollte, dass sich diese beiden Menschen im Dschungel des Lebens wiederfinden.

So beginnt eine Geschichte, wenn die Grenzen von Raum und Zeit verschwinden und Blicke in unsichtbare Welten gestattet werden. Flora und Gabriel sind auf dem inneren Weg zum Avatar.

Zweiter Teil

Rückblick in die Römerzeit

Floras innere brennende Frage drängt sich immer mehr auf: Wer sind Gabriel und sie, aus den Seelentiefen betrachtet? Welche Seelenfunken aus früheren Leben verbinden sie mit Gabriel? Diese fragenden Gedanken hat sie immer wieder und wieder in die Meditation hineingetragen. Erzwungen werden darf nichts. Wenn die dafür erforderlichen Seelenkräfte genügend fortgeschritten sind, werden sie eines Tages die Lösung erfahren.

Zaghaft tauchen Bilder aus der Römerzeit auf. Noch ist es zu früh, alles in eine Abfolge zu bringen. Der alte Mann, der Flora und Gabriel in den Träumen immer wieder erscheint und begleitet, muss schon damals eine Rolle gespielt haben. War er damals in einem physischen Körper? Das Puzzle ist noch im Anfangsstadium, es muss zuerst zusammengesetzt werden. Die Antworten werden klarer und verständlicher! So dreht sich das Rad des Lebens Woche um Woche weiter.

Eines Tages ist es soweit, die innere Schau lässt die ersten Blicke in tief greifende Erlebnisse aus einer früheren Inkarnation zu.

Damals, vor vielen Jahren, wohnte Flora mit dem alten Mann in einem bescheidenen Haus. Beide waren damals also physisch zusammen auf der Erde inkarniert. Wo das genau gewesen ist, weiß Flora noch nicht.

Sie sieht sich als junge Frau ganz in Weiß gekleidet. In den Händen hält sie einen großen Wasserkrug. Die Landschaft wirkt südländisch. Allerdings wirkt alles wie durch eine milchige Glasscheibe. Auch in den folgenden Nächten sieht Flora immer das gleiche Bild. Sie geht zu einem Ziehbrunnen, füllt den Krug mit Wasser und zieht damit von dannen. Niemand außer ihr ist zu sehen. Was bedeutet das wohl? Noch weiß Flora die Antwort nicht. Erzwingen darf man nichts, das muss sie sich immer wieder ins Bewusstsein einhämmern. Geduld ist auch von Flora gefordert.

Das geduldige Warten zahlt sich aus. Die Blicke in ein anderes Leben öffnen sich immer mehr. Das Bild zeigt sie als eine junge, schöne Frau, die gerade ihren damaligen physischen Körper verlassen hat. Und jetzt als Verstorbene in die Geistige Welt zurückgekehrt ist. Der Weg führt ins Römische Reich. Sie wird mit der Tatsache konfrontiert, dass sie damals offenbar ganz jung verstorben war. Weitere Puzzleteile kommen dazu.

Vor Floras innerem Auge zeigt sich ein langer, dunkler Gang. Mit schnellem Schritt schreitet ein vornehmer Römer, gekleidet in eine weiße Toga, durch dieses modrige Gewölbe. Er muss sehr in Eile sein. Seine Schritte werden immer schneller und schneller, zum Schluss rennt er. Sein Atem rast. Seine Füße stecken in Sandalen, die mit Lederbändern geschürt sind. Beim Aufschlagen der Sandalen hallen die Schritte wider. Der Gang muss zu einem Gefängnis führen. Unerträglich muss der Geruch sein. Die stickige Luft hängt in den kahlen Gemäuern. Der Mann hält immer wieder die Hand vor Mund und Nase. Er befindet sich in einem unterirdischen System mit Kellerräumen, im Amphitheater. Die Kerker für die zum Tode verurteilten Menschen befinden sich hier. Eine Ohnmacht überkommt Flora, dann ist sie eingeschlafen.

Es vergehen Tage. Immer das gleiche Bild. Inzwischen hat Flora erkannt, dass es Gabriel war, der damals durch den dunkeln Gang gerannt ist. Wo wollte er hin? Und wieso diese Eile? Die Weiterführung dieser Geschichte lässt abermals auf sich warten!

Er findet sie wie die Stecknadel im Heuhaufen

Der Mann aus dem dunklen, unterirdischen Gang ist unbestritten der heutige Gabriel. Damals hieß er Justus. Und Floras Name war Deborah.

Doch vorerst fängt die Geschichte ganz von vorne an.

Damals, an einem schönen Tag im Frühling, reitet Justus hoch zu Pferd als stolzer römischer Feldherr mit seinem Gefolge in seine Heimatstadt. Er trägt einen blau-roten Umhang. Dieser ist kunstvoll bestickt mit goldverzierten Ornamenten und hängt hinten königlich übers Pferd. Eine buntgekleidete Volksmasse hat sich versammelt. Ein Knäuel von Menschen staut sich in den engen Gassen. Immer wilder drängen die Menschen nach vorne. Ein begeistertes Zujubeln erfüllte die Luft. Er muss erfolgreich sein. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Die Reiterschar kommt auf einen großen Platz. Leute, nichts als Leute. Alles ist farbig bunt geschmückt. Der Bejubelte erhebt seine Hand zum Gruß. Die Menschenmenge tobt. Sein römisches Heer ist sehr angesehen und gehört zu den bestausgerüsteten und diszipliniertesten. Unmissverständlich ist, dass seine Augen etwas Bestimmtes suchen. Der Bejubelte sucht krampfhaft nach einem Ausgang. Dieser Volksauflauf, dieser Kult um seine Person, das alles ist ihm unangenehm geworden. Am Applaus kann er sich nicht freuen. Am liebsten möchte er sich wegschleichen, sich auflösen oder abheben wie ein Vogel. Das scheint aber ein schwieriges Unterfangen zu sein. Seine Augen streifen abermals über die Menschenmenge. Er ist wie ausgeklinkt, schwebend auf einer Wolke. Da, ein Lächeln huscht über sein Gesicht. An der gleichen Säule von einst steht angelehnt die schöne, schlanke Gestalt einer jungen Frau.

Bestimmt ist sie nur wegen mir gekommen! Meine Sinne können mich bestimmt nicht täuschen! Oder doch?

In banger Ungewissheit ein Abwägen, hin und her.

Schon zwei-, dreimal hat er die Faszinierende gesehen. Seine Gedanken spielen verrückt.

Ihr einmaliger Liebreiz überstrahlt den ganzen Menschenauflauf. Wie eine aufgehende Sonne strahlt ihre Aura! Wer diese Frau einmal gesehen hat, kann sie nie wieder vergessen.

Das Unbekannte, noch nie Erlebte hinterlässt tiefe Spuren. Ihre Blicke haben sich gegenseitig wie zwei Pfeile der Liebe mitten ins Herz getroffen. Jetzt hat er die Bezaubernde, das Einzige, das ihn im Leben wirklich noch interessiert, in der enthusiastischen Menschenmenge wiedergesehen. Ein inneres Frohlocken.

Kein Zweifel, sie muss das Gleiche empfinden wie ich!, denkt er.

Ein unbeschreibliches Glücksgefühl schwebt als zarter Hauch der Liebe über den Köpfen der Jubelnden. Er hört und sieht nichts mehr. Spürt nur noch die Geheimnisvolle, zum Greifen nah und doch so weit entfernt. Kein Wort hat er je mit dieser Frau gesprochen. Zwischen ihnen spielt die Magie der Liebe.

Sie jubelt ihm nicht zu, steht einfach nur da in einem sommerlichen weißen Kleid. Ihre wunderschönen Augen haben ihn fixiert und er hat die Blicke aufgefangen. Wortlos spricht die geheimnisvolle Liebe. Auch sie ist wie entrückt, sieht nur noch ihn. Wie im Nebel verschwindet alles um sie herum. Sie fixieren sich, es fühlt sich an wie eine ungesehene Umarmung über den Köpfen des Volkes.

Plötzlich erscheint wie bei einer Leuchtreklame ein schwarzes Holzkreuz, erlischt wieder und blinkt wieder auf. Justus, der Feldherr, ist irritiert. Der christliche Glauben liegt ihm fern. Sein Offizier schupst ihn unsanft an. Dieser ist sehr erstaunt, als er die plötzliche Veränderung im Gesicht seines Freundes gesehen hat. Die Freudenschreie der Menge holen Justus aus dem Dämmerzustand in die Wirklichkeit zurück. Er lächelt, doch sein Lächeln wirkt kläglich. Er fühlt sich in einem entsetzlich seelenlosen Menschenkreis, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Seine Blicke suchen wieder nach der Zauberhaften. Krampfhaft hält er Ausschau. Es gelingt ihm nicht mehr, im Getümmel die Angehimmelte zu orten. Er fühlt sich miserabel, wünscht einfach abzuheben und den Rummel hinter sich zu lassen. Sein Wunsch wäre es, wie ein Vogel wegzufliegen, einfach nur weg, um zuoberst auf einer Baumkrone die Ruhe der Natur und darin den Frieden zu finden. Die unergründliche Liebe, die ihn ins Herz getroffen.

Deborah ist weggetreten, fühlt sich ohnmächtig und versucht der Tränen Herr zu werden. Der Gedanke, dass sie verliebt ist, lässt ihr Gesicht rot werden. Dieses Wiedersehen geht sehr viel tiefer, als ihr lieb ist. Es ist, als ob das Geheimnis der Liebe ihre Seele abgetastet hätte. Es gibt Augenblicke im Leben, wo das Herz voll Freude wäre. Eine Liebe mit einem römischen Feldherr … Die daraus entstehenden Probleme wären vorprogrammiert.

Der Feldherr kann die tränenfeuchten Augen von Deborah nicht sehen. Doch nichts wird ihn davon abhalten, diese Frau wiederzufinden. Er muss sie unbedingt finden. Von nun an kann er an nichts anders mehr denken. Bei Tag und bei Nacht denkt er nur noch an die schöne Unbekannte. Auch Deborah hat den gleichen Seelenwunsch, dass der Feldherr eines schönen Tages vor ihr steht und alles zu einem glücklichen Happy End führt.

Die Tage vergehen ohne ein Zeichen. Das beiderseitige heimliche Wunschdenken wird als ein fast unerreichbarer Wunsch zur Seite geschoben. Sie leben in der gleichen Stadt und sind voneinander doch so unendlich weit entfernt.

Die Beifallsrufe sind noch nicht verstummt. Mit seinem Gefolge ist Justus von einem erfolgreichen Feldzug zurückgekehrt. Von den Gewalttätigkeiten und dem Blutvergießen will niemand etwas hören. Zu seinen Ehren wird von den Pompösen in den Königsgemächern zu einem ausschweifenden Fest geladen.

Solche Anlässe waren immer der Höhepunkt nach langer Abwesenheit. Nun haben sie einen schalen Beigeschmack. Die Liebe zu dieser Frau hat ein Umdenken ausgelöst. Er wollte in den Kampf ziehen, wollte glänzen. Nun bekämpft er sich selbst. Der innere Aufbruch zur Selbsterkenntnis. Seine gedrückte Stimmung wirkt irritierend. Ein Mann mit einem Lorbeerkranz macht ein paar blöde Bemerkungen. Justus wendet sich ärgerlich ab und hört ihn noch sagen: »Die Lüfte, die hier wehen, sind ein Hauch der Götter!«

»Lassen wir es beim Wehen des Windes und die Götter aus dem Spiel!«, kontert er.

Bei der erstbesten Gelegenheit hat Justus sich von diesem Rummel entfernt. Verärgert und als Beleidigung wird sein Verschwinden wahrgenommen.

Seine Gedanken sind wieder bei der Zauberhaften. Nun hält ihn nichts mehr zurück, die Angebetete wie eine Stecknadel im Heuhaufen zu suchen. Ruhelos sucht er in allen Stadtteilen. Er kann keine Ruhe mehr finden.

Eines Nachts wandelt er entlang am Ufer des Flusses. Leise spricht er zur lauschenden Stille: »Sagt mir, meine Götter, wo kann ich sie finden!«

Plötzlich beginnt auf der Wasserfläche ein kleines Licht aufwärts zu zittern. Bald erhebt es sich zu einem Stern und bewegt sich zu ihm hin. Der Strahlenglanz blendet ihn.

Da hört er eine Stimme: »Deine Liebe hat gesiegt, suche Deborah bei den Christen.«

Eine jähe Bewegung durchzuckt seinen Körper. Sein Blick ist erstaunt und erschreckt.

»Ich liebe also wirklich eine Christin! Das habe ich eigentlich auch vermutet!«, murmelt er vor sich hin.

Zwei Tage später werden seine Bemühungen belohnt, das Wunder ist geschehen, er findet sie. Mit ihrem Wasserkrug läuft Deborah den gewohnten Weg, durch die schmale Gasse. Der Wind bläst sanft in ihr weißes Kleid. Sie hat ihn nicht gesehen. Er reitet einen kleinen Umweg. An der nächsten Weggabelung treffen die beiden von vorne aufeinander. Ihre Schönheit macht in sprachlos. Deborah spürt seine Verlegenheit. Ein Lächeln huscht über ihr liebliches Gesicht. Das Gefühl, nach einer langen Suche endlich zu Hause angekommen zu sein, breitet sich aus. Was die Verliebten miteinander sprechen, bleibt ihr kleines Geheimnis. Wer das Geschehen beob­achtet, der spürt, dass die Sonne der Liebe in diesem Moment aufgegangen ist. Zum Abschied winkt Deborah Justus zaghaft zu, macht kehrt, biegt in eine kleine Nebengasse ab und weg ist sie! Versteinert sitzt Justus auf seinem Pferd und schaut ihr nach, wie ihre zierliche Gestalt, begleitet von dem sanften Wind, davonschreitet. Sie hat nochmals kurz den Kopf nach ihm umgedreht, ihm zugelächelt.

Wie eine königliche Braut sieht sie in dem weißen Kleid aus!, denkt Justus.

Dann ist sie um die Hausecke verschwunden. Dieser Augenblick der ersten Begegnung mit Deborah, an dieses Bild klammert er sich fest, will es nie mehr loslassen. Zwei streitende Katzen holen ihn wie aus einer Trance. Langsam sammelt er seine Sinne zusammen, die wie überreife Äpfel auf den Boden gefallen sind. Die übernatürliche Liebe ist in diesem Augenblick auf die Erde gefallen.

Vor sich hin summend drückt Deborah die Türe auf und steht in ihrer Behausung. An einem Tisch unter einem kleinen Fenster sitzt ein alter Mann und schreibt in seinem großen Buch. Er hebt seinen Blick und schaut, wie der Wasserkrug an seinen Platz gestellt wird. Das Strahlen seiner Enkelin verrät ihm, dass sie auf den Feldherrn getroffen sein musste. Sie hat ihm von dieser sonderbaren Begegnung erzählt. Eigentlich möchte er sich für seine Enkelin freuen.

Doch die Hindernisse sind kaum überwindbar!, denkt er bei sich.

Sie setzt sich zu ihm hin und erzählt so herzlich frisch von dem Zusammentreffen. Die Liebe hat die beiden wirklich mitten ins Herz getroffen. Der alte Mann steht auf und streicht seiner Enkeltochter liebevoll über das schwarze Haar. Er schaut aus dem kleinen Fenster. In seinen Augen liegt tiefer Kummer. Die junge Frau bemerkt es nicht. Ihre Gedanken kreisen nur noch um den Verehrer. Bald darauf hört man das Hantieren mit den Kochtöpfen. Noch immer steht der Großvater am Fenster, tief in seine Gedanken versunken. Plötzlich fixieren die Augen des Großvaters eine athletische Männergestalt, die gerade die kleine Gasse heraufkommt. Es ist der bewunderte Feldherr! Seiner standesgemäßen Kleidung hat er sich entledigt, um nicht aufzufallen. Ein leises Klopfen. Doch es wäre nicht nötig gewesen. Die junge Frau hat seine Schritte bereits vernommen, auch wenn sie noch so leise waren. Liebende fühlen einander. Das war schon damals so und wird immer so bleiben. Drei Gedecke werden aufgetischt. Ihre erste gemeinsame Mahlzeit. Der alte Mann hat nicht viel gesprochen. Er will vor seiner Enkelin seinen Kummer verbergen.

Die Liebe geht nicht immer den einfachsten Weg!, denkt er im Stillen.

Zwar findet sie Vieles nicht gut, was ihr Angebeteter im Leben macht. Das gibt sie ihm klar zu verstehen. Für sie gibt es keinen Grund, ihm zuzujubeln. Justus ist auch bewusst, dass er immer weniger hinter seinem Tun stehen kann. Der innere Ruf ist ständig da. Mensch, erkenne dich selbst, oder dass du ein eigenes ICH bist. Er fühlt sich nur noch als Marionette des Römischen Reiches. Jetzt wäre die Zeit gekommen, seinen Rum in vollen Zügen zu genießen. Sein Arbeitsplatz ist das Kämpfen auf dem Schlachtfeld. Viel Lob hat er dafür bekommen. Gesellschaftlich hohe Anerkennung. Die Schar seiner Kriegsknechte, welche den Eid des Gehorsams ablegt haben, verehrt ihn als hervorragenden Kriegsstrategen. Sein gesellschaftlicher Status erlaubt ihm, sich in höchsten Kreisen zu bewegen. Es fehlt ihm an absolut nichts, was die irdische Welt zu bieten hat. Ein gigantischer Reichtum umgibt ihn wie alle Mächtigen des Römischen Reiches.

Den zwei wunderschönen römischen Frauen, welche schon lange in seiner Gunst stehen, ist es nicht entgangen, dass er sich immer mehr von ihnen abwendet. Die angebotenen Liebesdienste weist er vehement zurück. Sie bemühen sich aufrichtig, alles nur Mögliche zur Verschönerung seines Lebens zu tun. Vergebens! An den rauschenden Festgelagen nimmt er kaum noch teil. Und wenn, dann wirklich nur, weil es seine gesellschaftliche Stellung erfordert. Diese prunkvollen Gastmahle sind wie eine Droge, sie benebeln die Sinne der Teilhabenden. Er hat die Kraft zu widerstehen, auch wenn ihm die Welt zu Füßen liegt. Nur die Damen sind verwöhnt und genusssüchtig. Sie denken nicht daran, das Feld kampflos zu räumen. Der böse Stachel der Eifersucht bohrt sich immer tiefer in die Herzen der beiden Liebesdienerinnen. Dort verbreitet er schonungslos sein böses Gift. Aus dem Blickwinkel der Eifersucht übt die christliche Rivalin einen ganz schlechten Einfluss auf den mächtigen Feldherrn aus. Langsam kommt der Gedanke auf, diesem Treiben ein Ende zu setzen. Sie schicken Spione hinterher. Der Bescheid kommt postwendend. Die beiden sind schockiert. Hinter vorgehaltener Hand verbreitet sich die Neuigkeit in Windeseile. Bösartiger Klatsch und Tratsch haben einen wunderbaren Nährboden gefunden. Justus, der beliebteste Feldherr, sympathisiert mit der christlichen Strömung, wo über Nächstenliebe, Menschenwürde, Gleichstellung und vieles andere mehr gesprochen wird. Jeder Mensch soll vor dem Schöpfer gleichwertig sein. Das ist zu viel des Guten, das können die Damen auch nicht länger dulden. Dazu kommt, dass ihr pompöses Leben ins Wanken gerät. Dass die junge Christin der gequälten Kriegerseele neue Impulse gegeben hat, bleibt den Eifersüchtigen verborgen. Deborah bedeutet für Justus neue Streiflichter am Horizont.

Das Schlachtfeld hat bei ihm tiefe seelische Wunden hinterlassen. Zuviel Blut ist sinnlos geflossen. Die Schreie der Verwundeten, der Sterbenden, diese klammern sich wie hungrige Dämonen an seiner Seele fest. Die Früchte von seinen Siegen, die er in vollen Zügen genießen könnte, sind plötzlich wertlos geworden. Die irdischen Güter stehen als Trophäen, als unbeachtete Objekte aus seinen Triumphen in seinen Gemächern. Wie ungebetene Gäste, seines Blickes nicht mehr würdig. Immer wieder stellt er sich die Frage: Was ist dieser unvergängliche innere Reichtum, von dem die Lehre seiner Angebeteten erzählt!

Einfach und bescheiden, aber gemütlich ist ihr kleines Heim, in dem er sich jetzt aufhält. Weit ab vom inhaltslosen Treiben der Mächtigen im Römischen Reich. Es hat das Gefühl, das erste Mal richtig zu leben, bis ganz tief in sein Inneres. Bei Deborah kann er einfach nur er selbst sein. Keine Maske braucht er anziehen, um zu gefallen. Ist damit der innere Reichtum gemeint? Von keinen Heldentaten muss er berichten, um sie als Zuhörerin zu erheitern. Ihr Denken ist anders. Sie, die junge Christin, strahlt etwas Unbeschreibliches aus, das ihn fasziniert. Ihre Liebe ist einfach da, muss nicht erst formuliert werden.

Von nun an kommt er immer öfter ins kleine Haus mit der magischen Aura. Sie haben es gut zusammen in ihrer ruhigen, friedlichen Welt. Eine Welt so klein und doch so unendlich weit offen für ungeahntes Neues. Nur die große Welt um die Liebenden herum, die macht immer mehr Probleme. Unsichtbar, doch gefährlich nah.

Dritter Teil

Dreizehn Tore öffnen sich

Zahlen haben verschiedene mystische Bedeutungen. Die wichtigste Zahl in der Mystik ist die Eins, die immer die Gottheit bedeutet; dann die Sieben, der mystische Weg; die Dreizehn, die mystische Hochzeit und das Erreichen der Adeptschaft. Ein Adept – oder auch Avatar – erscheint entweder als Hohepriester in einem besonderen, leicht erkennbaren Ornat oder als Greis. Er bewegt sich in zwei Welten. Ist zumeist das Symbol des Inneren ICHs. Er ist in die Geheimlehren eingeweiht. Seine geistige Empfänglichkeit ermöglicht dem Mystiker, das Unsichtbare zu sehen und das Unhörbare zu hören. Sein bewusster Geist schreitet über Entfernung von Raum und Zeit hinaus. Mystiker sind mit der vollkommenen Einheit der Liebe verbunden. Ihr Tun spielt sich in der harmonischen Stille ab und ist ewig. Im Einklang mit allem anderen.

Eine übersinnliche Macht schuf alle Dinge und Seelen nach einem göttlichen Plan. Er setzt seine Sterne in Bewegung in einheitlichen Sternenbildern. Daher trennt sich keiner ab, um allein im endlosen Raum zu schweben.

Solche geistigen Erlebnisse können sich über Jahre dahinziehen bis zur Vollendung. Viele Bilder wiederholen sich immer wieder. Ein neues Geistkleid bedeutet, eine langsame innere Umwandlung. Um die angestrebten Ziele zu erreichen. Es ist ein ständiges sich Bewähren im Alltag. Oft sind es nur die Kleinigkeiten, welche die wichtigen Steinchen sind, die zum ganzen Mosaik führen. Der Mensch neigt immer dazu zu denken, dass der andere es besser hat. Was man tut, das soll man richtig tun. Bei der Arbeit und in der Familie. Die göttliche Natur hat den Menschen so ausgestattet, dass normalerweise die Eltern ihre Kinder als etwas Besonderes empfinden. Probleme gibt es dann, wenn ein junger Mensch seinen eigenen Charakter anfängt zu formen. Seine eigene Berufung sucht. Durch die Liebe zu den Kindern, Lebenspartner, Mitmenschen, den Tieren und der Natur ist genügend Arbeit vorhanden, dass sich jeder Mensch selbst verwirklichen könnte. Selbstverwirklichung fängt oft dort an, wo es nicht erwartet wird. Wirklich unersetzlich ist eine gute Mutter, ein guter Vater. Sie sind einmalig. Wer innerlich mit sich im Klaren ist, der überträgt das auf andere Menschen. Es ist jedoch auch wichtig, dass Eltern verstehen, dass das Kind ihnen nichts schuldig ist. Es gehört zum Kreislauf des Lebens, sein Leben für andere ohne direkte oder indirekte Gegenleistung zu geben. Kinder sind nun mal auf selbstlose Unterstützung angewiesen. Natürlich kann man auch ohne Kinder ein erfülltes Leben haben.

Im Geschäftsleben ist eigentlich jedermann ersetzbar. In der heutigen Zeit führt ein maßloses Überschätzen zu materiellen Auswüchsen. Auf der materiellen Ebene geht es schlichtweg um das schnöde Geld. Die Menschen werden zur gierigen Raupe und vergessen, dass auch ein seelischer Schmetterling zur Verpuppung vollendet werden müsste. Diese Degeneration menschlichen Denkens und Verhalten war nur möglich, weil viele Menschen im Westen ihren Glauben an eine höhere Macht verloren haben. Den Glauben an eine übergeordnete Gerechtigkeit. Mit dieser unermesslichen Gier schafft man sich sicher kein gutes Karma.

»Was du säest, das wirst du ernten.« Stattdessen herrscht das Motto: »Nach mir die Sintflut!«

Im Leben wird es immer Situationen geben, die man lieber nicht durchleben möchte. Doch alles gehört zu einem göttlichen Plan, um geistigen Fortschritt zu erlangen. Dazu ist selbstverständlich eine freie geistige Entwicklung nötig. Diese radikalen Ströme, die versuchen die Menschheit wieder in eine tiefste Abhängigkeit zu führen, dienen nur dem eigenen Machtgehabe. Bestimmt sind diese Gruppierungen nicht beseelt mit edlen Menschenseelen. Und trotzdem finden sich immer Menschen, die sich freiwillig in solche Abhängigkeiten begeben. Die Fesseln des Aberglaubens, des Irrglaubens sowie aufgezwungene Abhängigkeiten hängen wie Bleiklötze an diesen unsicheren, labilen Seelen. Wer sich mit einem Rucksack beladen mit Steinen auf einen geistigen Weg macht, wird den Gipfel des Berges nur schwerlich erreichen. Auf seinem Weg nach oben wird er einen Teil von seinem Ballast abwerfen müssen. Alle Hilfen, die von großen Religionen angeboten werden, Gebete, Sakramente, Pilgerfahrten, Riten und Zeremonien, sind nur Hilfsmittel. Die Erlösung muss jeder in sich selbst suchen. Jeder Mensch muss lernen, Herr über sein eigenes Tun zu werden. Sich von Dogmen befreien. Am Schluss muss jeder sein Erdenleben vor dem großen Schöpfer verantworten. Er wird nicht sagen können, der andere hat mir gesagt, dieses oder jenes zu tun, wenn dessen Handlungen dem eigenen Willen widersprochen hätten. Doch eigentlich ist das schon alles gesagt worden. Aber Wiederholungen sind wichtig, damit man nicht wieder in alte Verhaltensmuster fällt.

Es mag sein, dass man vielleicht noch einmal mit solchen fanatischen Glaubensgemeinschaften konfrontiert wird, um dadurch zu lernen, der eigenen Seelenstärke, dem eigenen Willen endlich zu vertrauen. In jeder Religion gibt es diese Strömungen, die religiöses Gedankengut nur zum eigenen Nutzen umzuwandeln versuchen. Wer unter dem Deckmantel irgendeiner religiöser Gruppierung anderen Menschen Unterdrückung und Leid zuführt, wird dieses in der Geistigen Welt verantworten müssen. Mit der falschen Frömmigkeit wurde in der Weltgeschichte schon viel Unheil angerichtet. Auch ein sogenannter Geistlicher hat kein Recht, ein Todesurteil über einen Menschen auszusprechen. Auch er ist nur ein Mensch und kein himmlischer Richter. Geistig erleuchtete Menschen werden sich immer von solchen Lehren klar distanzieren.

Jeder Mensch hat bei seinem Erdenantritt die Aufgabe erhalten, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten. Da passieren sicher auch Fehler. Doch es sollte jedem Menschen gestattet sein, aus seinen Fehlern etwas zu lernen. Am Lebensende, auf dem Sterbebett, wird jedem ersichtlich werden, für was bestimmte durchlebte Erfahrungen auf seinem Erdenweg erforderlich waren, um zum Ziel zu kommen. Aufgezeigt wird auch die andere Seite der Medaille, wo die Lebensziele nicht erreicht worden sind. Eigentlich sollte so gelebt werden, als ob jeder Tag der letzte sein könnte. In diesen alten Weisheiten liegt so viel Wahrheit, die schon die Großeltern erzählt haben.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sind immer richtig. Sie sind an keine Kultur und Religion und an kein Alter gebunden.

Was man mir nicht antun soll, soll ich auch anderen nicht antun.

Ein Raum mit dreizehn Türen

Wie sonst könnte eine Beschreibung einer inneren Entwicklung erzählt werden, wenn nicht mit der Sprache von Bildern. In früheren Zeiten hat man Mitteilungen in Gleichnissen oder in Bildern den Menschen mitgeteilt. Es gab immer Erleuchtete, die ein übersinnliches Wissen hatten, welches der Allgemeinheit nicht zugänglich war. Die selbstlos und unbemerkt an der geistigen Entwicklung der Menschheit und am großen Bau der Erde mitgestalteten.

Gabriel und Flora setzen den angestrebten inneren Weg fort. In der irdischen Welt ist wieder einmal das Gefühl aufgekommen, dass in beiden Welten ein Stillstand eingetreten ist. Das weltliche Leben fordert volle Präsenz. Der Stillstand ist eine irdische Täuschung. Es ist nicht wie im Kino, wo der Film Action um Action braucht, damit die Kassen gefüllt werden. Der Film des Lebens läuft oft im Stillen hinter den Kulissen ab. Was aber nicht weniger spannend und interessant sein muss. In der Geistigen Welt wird nichts nach materiellen Maßstäben bewertet.

Das Land der Träume hat wieder viel Neues zu erzählen. Hoch oben auf dem Königsbaum sitzt die Eule. Mit dem Eulenblick verfolgt sie die beiden Wanderer durch die Nacht. Da ist ein Huschen in den Wipfeln, ein Fauchen und Miauen und Eulengeschrei. Es ist ein grauenvolles, blindes Suchen und Tasten auf fast unbegehbarem Weg durch dichtes Gestrüpp. Die wild gewachsenen Sträucher, gespickt mit Dornen von wilden Beeren, machen das Fortkommen schwer. Ans Umkehren denken beide keinen Augenblick, jeder Weg führt irgendwo hin und jeder Wald hat einen Anfang und ein Ende. Als Spiegelbild zeigt der schwierig begehbare Weg das Alltagsleben. Auch da gilt es, Lebensschwierigkeiten richtig zu meistern. Oft ist auch da die nötige Geduld gefordert. Gabriel und Flora wollen nicht klagen und bemühen sich, die gestellten Alltagsanforderungen mit einer positiven Einstellung gut zu meistern.

In der Traumwelt zeigen sich weiterführenden Bildern. Das üppige Dickicht wird lichter. Sie kommen aus dem Wald heraus, wo in der sanften, blausilbernen Weite durchsichtige, zartschimmernde Farben wie verlorene Seelen schweben. Im Zauber dieser Einsamkeit steht auf einer Waldlichtung eine hölzerne Kapelle umgeben von verwilderten Blumen. Die Mauern sind mit Efeu bewachsen. Es scheint, dass in letzter Zeit nicht allzu viele Menschen diese Waldlichtung gefunden haben. Die Eingangspforte ist fast versteckt. Dem wild um sich gewachsenen Gestrüpp muss zuerst der Kampf angesagt werden. Die Arbeit dauert eine ganze Weile.

»Das ist sehr interessant!«, murmelt Gabriel vor sich hin.

Über die ganze Tür ist ein kunstvoller Lebensbaum geschnitzt. Um das Schnitzwerk zieren sich weitere reliefgeschnitzte, geheimnisvolle, religiöse Ornamente. Einige davon sind bekannt. Die Traumwanderer sprechen mit voller Bewunderung über diese Handwerkerkunst, die sich da dem inneren Auge präsentiert. Mit aller Kraft versuchen sie die Holztür aufzustoßen. Auf Anhieb lässt sich die schwere Holztür nicht öffnen. Der volle Mond steht als stummer Zeuge am Himmel. Die Zeit ist stehen geblieben und scheint zu warten. Nach mehreren Versuchen schaffen sie es, die Tür einen Spaltbreit aufzustoßen. Sie quietscht, knarrt, ächzt und kracht, gibt endlich nach und lässt die Wanderer durch die Nacht eintreten.

Ihre Nerven vibrieren vor Spannung. Gabriel blickt in Floras Augen.

»Gehen wir hinein?«

Flora nickt.

»Du bist also fest entschlossen, mein Goldstück?«, fragt er scheinbar zögernd.

»Du etwas nicht?« Sie schüttelt den Kopf. Ihre schwarzen Haare fliegen. »Du willst doch nicht etwa kneifen?«

»Aber nein!«, lacht Gabriel.

Vorsichtig treten sie ein in das alte, dunkle Kirchlein. Kein Licht, das das Innere etwas erleuchten würde. Alles wirkt irgendwie sonderbar. Plötzlich stehen sie mitten in der Kapelle! Es braucht etwas Zeit, bis die Augen sehen können. Das Innenleben ist eigenartig. Verblichene Mosaike mit christlichen Symbolen verzieren den Fußboden. Von oben fällt etwas Licht in den Kirchenraum. Alles ist rund und hat 13 verschlossene Türen. Sonst sind nur leere Wände zu sehen. Die beiden machen sich Gedanken, für was dieser Ort wohl gut sein könnte. Alles endet in reiner Spekulation. Sie sind gespannt, was sich hier als Fortsetzung offenbaren wird. In dieser Nacht bleibt es dabei, ein Weiterschreiten bleibt vorläufig verwehrt. Schon geht am Horizont die Sonne auf. Der anbrechende Tag holt die beiden Seelen in die schlafenden Körper zurück.

Ein neuer Tag ist da, der Wecker schrillt. Die irdische Welt hat sie wieder.

Die Neugier hat sie gepackt. Ihre Gedanken schweifen an diesem Tag immer wieder ab. Etwas unkonzentriert wirken heute beide auf ihre Mitmenschen.

Nach dem Einschlafen stehen die beiden Seelen wieder in der Mitte der gestern verlassenen Kapelle. Nur das Mondlicht erhellt den Kirchenraum. Gut, dass heute Vollmond ist. Eine ganze Weile stehen Gabriel und Flora abwartend da. Nichts passiert! Gelangweilt setzen sich sie auf den nackten Boden und fangen an, sich Geschichten zu erzählen. Jeder Mensch hat eine Lebensgeschichte, die er erzählen könnte. Manche wäre sicher wertvoller als viele Biografien von Prominenten.

Gabriel und Flora können sich an diesem Ort vermehrt an Erlebnisse aus früheren Leben erinnern. Es war nicht immer einfach, den angestrebten Weg nicht aus den Augen zu verlieren. Viel Spott mussten sie ertragen. Die wahren Studenten werden jedoch zwischen den Zeilen lesen und Weisheit erfahren. Wenn das wahre Licht in ihnen ist, wird das Licht antworten. Aller Spott und Hohn ist nur ein Strohfeuer, das bei wahrer Erkenntnis verbrennt. Alle Hindernisse sind nur Schlüssel zu Türen, die zu Wahrheiten führen.

Dabei haben sie die Zeit vergessen und sind etwas eingenickt. Etwas Unbeschreibliches hat sie sanft berührt. Blitzartig werden die Augen geöffnet. In der kleinen Kirche ist es augenblicklich taghell. Durch eine Öffnung im Dach kommt ihnen eine helle Gestalt schwebend entgegen. Sie sind durch das Licht arg geblendet und können nur blinzend sehen.

»Das kann nur ein fliegender Engel sein!«, sind sie überzeugt.

Doch ein Engel ist es nicht! Ja, wer ist es dann? An den Umrissen können sie den geistigen Führer erkennen. Und dann steht er da, ihnen genau gegenüber mit einer unglaublich lichtvollen Aura. Der Geistführer hebt die Hand und zieht segnend ein Kreuz über das Paar.

Mit magischer Stimme spricht er: »Wer das Licht finden will, muss sich zum Lichte erheben. Der Adler soll emporsteigen in die Luft. Die Schlange soll sich in der Erde verkriechen. Der Mensch soll aufstehen in geistiger Kraft. Geistige Erkenntnisse im Menschen sind Licht, Liebe und Leben. Jedes Ding hat seine Stärke nicht außerhalb seiner selbst, sondern in sich selbst. Suchet in eurem eigenen Innern die Weisheiten des Universums.«

Darauf wendet sich der Führer ab und geht auf eines der sieben Tore zu. Das erste Tor öffnet sich von selbst! Er durchschreitet es und im Schlepptau die beiden Geistschüler.

+++ +++ +++

Textprobe: Mirjam Wyser

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