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Cover Acello und die Umweltmagier Leseprobe "Acello und die Umweltmagier"

von Mirjam Wyser

Alter: 10 - 14 Jahre, Taschenbuch, 120 Seiten, ISBN: 978-3-96050-184-8

Inhalt

Der Leuchtturm
Die Kinder der Lichtkönigin
Flug durch die Nacht
Rodon, der Außerirdische
Die versteckte Welt
Rabe Ximax
Die verborgene Stadt
Onkel Ari
Der Eingebildete
Die Herren der Unterwelt
Regenbogenbänder
Zurück in der Wirklichkeit
Stallmeister Uwe

1. Der Leuchtturm

Außerhalb der sichtbaren Welt gibt es eine Welt, wo Träume wahr werden. Dorthin können wir Menschen uns jederzeit hin zurückziehen. Dazu brauchen wir kein geheimes Losungswort, keinen Zauberspruch und auch keine Zauberlampe. Wer dieses Land betreten will, braucht ein strahlendes Seelenkleid, Neugierde, Mut und Fantasie.

Tatsächlich gibt es Menschen, die haben für die Traumwelt nur Spott übrig und sehen es als reine Zeitverschwendung an, sich damit zu befassen. Sie werden niemals den Zauber kennenlernen, von der wirklichen Welt in eine Traumwelt hinüberzuwechseln. Doch Träume sind ein Teil von uns wie das Schlagen unserer Herzen. Kinder wissen, dass Träume wertvolle Geschenke sind, denn damit erlebt man nicht nur sein eigenes Leben, sondern zahllose andere aus der Traumwelt auch.

Und so beginnt eine weitere Geschichte von einer aufregenden, unsichtbaren Welt.

Irgendwo steht auf einer Klippe ein alter geheimnisvoller Leuchtturm. Vom Meer aus ist er gut erkennbar. Auch bei heftigem Sturm leuchtet immer ein gut sichtbares Licht, das nie erlischt. Doch wollen die Menschen den Leuchtturm vom Land her besuchen, können sie den Weg einfach nicht finden. Jeder Pfad, der zur Klippe führt, endet im Leeren. Ist es etwa ein Zauber-Leuchtturm? Die Luft ist voller Magie.

Viele Abenteuer haben Reiter und Pferd gemeinsam erlebt. Um das Pferd rankt sich ein Geheimnis. Kevin ist nicht einfach ein gewöhnliches Pferd. Bei Nacht kann es sich zu einem geflügelten Pferd verwandeln, während Professor Cello zu Acello wird, wenn er seine Nachtbrille und seinen Tarnanzug trägt. Dann sind beide für die Menschen unsichtbar. Viele Male sind die zwei durch die Nacht geflogen und haben den alten Eremiten Philippe in seiner Klause unter den vier großen Bäumen besucht. Oft haben die drei erfolgreich gegen das Böse in der Welt gekämpft.

Dank der neuen Fähigkeiten gelang es, das Sumpfmonster zu besiegen. Ein besonders schwieriges Unterfangen war der Kampf mit der Mistelbande, welche die Weltherrschaft anstrebte. Erfolgreich hatten sie einen Elektrosturm ausgelöst. Die Erdstrahlen fingen an zu hüpfen wie ein Floh. Eine absolute Katastrophe hatten sie mit ihren Manipulationen ausgelöst. In letzter Verzweiflung holte der Eremit die geheimnisvolle Posaune aus seiner Hütte. Nie hätte er gedacht, dass er die Posaune blasen müsste, um die Welt zu retten. Sonne, Mond und Sterne ächzten vor Schmerz. Doch es gelang, das finstere Werk der Mistelbande zum Einstürzen zu bringen. Trotzdem hinterließen sie ein Chaos auf der Welt.

Es war ein schrecklicher Anblick. Häuser und Städte waren zerstört. Auch die Natur war in Mitleidenschaft gezogen worden. Ausgerissen Bäume, überschwemmte Felder … Der Schaden war unglaublich, auch für die vielen Tiere.

Danach wurde der Riese Philemon auf die Erde geschickt, um den Menschen zu helfen, die zerstörte Welt wieder aufzubauen. Er war nicht nur groß und stark, er war auch sehr weise. Eine Weile herrschte sogar Frieden und Freundlichkeit auf der Welt, weil jeder den anderen brauchte. Eigentlich hätten die Menschen mit dem Erreichten zufrieden sein können. Doch diese verfielen wieder in die alten Gewohnheiten. Die Menschen fingen wieder an zu lügen und zu streiten.

Doch eines Tages wurde der Riese Philemon von der Himmelswelt aufgefordert, die Menschen wieder zu verlassen. Von da an mussten sie selbst schauen, wie sie zurechtkamen.

Das alles liegt schon viele Jahre zurück.

Trotz gutem Kraftfutter und der liebevollen Pflege von Stallmeister Uwe ist das kluge Pferd Kevin alt und kraftlos geworden. Die Kämpfe mit den Dunklen Mächten haben es arg strapaziert. Professor Cello konnte all die Jahre auch nicht mehr mit Kevin durch den Himmel fliegen und den alten Eremiten besuchen. Alles war anders geworden. Geblieben sind den beiden die Ausritte in der schönen Natur.

Das klare Licht eines wolkenlosen, windstillen Himmels kündigt einen besonders herrlichen Tag im Frühling an. Als der östliche Himmel wie eine Rose zu blühen beginnt, beschließt Professor Cello, mit seinem alten Pferd Kevin auszureiten. Er öffnet die Stalltür und sattelt das Pferd. Gemächlich steigt er in den Steigbügel und schwingt sich auf den Rücken. Der morgendliche Ausritt führt über einen stillen Weg, der von kleinen Häusern gesäumt ist. Alles liegt noch in tiefer Ruhe. Kein Mensch begegnet ihnen. Es ist, als sei niemand anders auf der Welt als sie allein. Bald bleiben die Häuser zurück. Wunderbar stehen die Laubbäume in ihrer Blütenpracht. Der Weg biegt in wohlbestellte Äcker ein, um sich dann einen Hügel hinaufzuwinden. Es ist ein unbeschreiblich schöner Morgen. Die Augen des Reiters hängen am fantastischen Gebilde von Farben am Himmel, als hätten die Götter den Himmel bemalt. Unerwartet erscheint ein helles Leuchten und es scheint, als ob Blitze in den Himmel schießen würden. Ein derartiges Lichtspektakel hat Professor Cello noch nie beobachtet.

Es ist, als gäbe es dort ein geheimnisvolles Wundertor, aus dem nichts als Gold fließt.

Herrgott, Herrgott, was ist das?, wirbelt der Gedanke durch sein Gehirn. Auch wenn er sich dieses Lichtphänomen nicht erklären kann, löst der Anblick eine unaussprechliche Freude in ihm aus.

Wie gut es tut, diese frische Luft in die Lungen einzusaugen! Bei einer Blumenwiese bringt er Kevin, sein Pferd, zum Stehen. Tausende und abertausende Tropfen hängen an Blüten und Gräsern und lassen alles in wunderbarem weißen Glanze schimmern.

Er krault Kevin in seiner wilden Mähne und spricht: »Kevin, mein gutes Pferd, schau, wie ist doch die Erde schön!«

Ein leichter Taunebel liegt noch im Tal, das sie durchritten haben. Aber schon blitzen Goldfunken hinein. Die Sonne steigt. Sie reiten weiter auf den Wald zu, der die Höhe des Hügels krönt.

Überraschend fliegt ein besonders schöner großer Schmetterling vor ihnen her. Professor Cello spürt, dass der farbige Schmetterling ihm etwas sagen will, und folgt ihm. Die Laubbäume wechseln sich mit Nadelbäumen ab. Wie ein Fremdenführer fliegt der bunte Schmetterling vor­aus, kreuz und quer durch den Wald, der immer dichter wird. Nur zu oft muss Professor Cello die Augen schließen, weil die Zweige der Bäume ihm ins Gesicht schlagen. Er hat den geheimnisvollen Wald betreten, in den sich die Menschen nicht hineinwagen, weil das Geheimnisvolle ihnen Angst macht.

Plötzlich zuckt er zusammen. Heftig und unerwartet setzt eine so starke Luftbewegung ein, dass er fast vom Pferd stürzt. Es hört sich so an, als würde ein gewaltiges Wesen die Luft aufwühlen. Er öffnet die Augen. Ihm ist, als grinse ihm ein Luftwesen ins Gesicht. Ein Vogel flattert auf und flieht in den Wald. Mit hohlem Wiehern bäumt sich auch Kevin kurz auf, sodass der Professor nochmals fast aus dem Sattel fällt.

»Kevin! Was hat das zu bedeuten?«, fragt der Professor erstaunt. »Hast du etwa auch ein Luftwesen gesehen?«

Kevin wiehert und schüttelt die Mähne. Das Wunderliche ist, dass sich der Wind wie von Zauberhand legt.

Doch Kevin trabt weiter und weiter, als würde er von unsichtbarer Hand geführt. Auf wundersame Weise erreichen Pferd und Reiter den Leuchtturm. Der Professor ist sehr erfreut, dass der bunte Schmetterling ihm den Weg zu diesem geheimnisvollen Leuchtturm gezeigt hat. Doch er weiß auch, dass er den Weg kein zweites Mal mehr finden würde. Wegen der Zweige, die ihm ins Gesicht geschlagen haben, musste er ja immer die Augen schließen. Es ist, als läge die wirkliche Welt unendlich weiter hinter ihm. Er betritt nun eine unbekannte Welt.

Ein warmer fast unmerklicher Lufthauch berührt Professor Cello. Er hat ein leises Knarren der Turmtür gehört. Goldene Flammen springen aus dem Leuchtturm. Eine Weile rauscht es in der Luft. Es sind geflügelte Wesen aus der Lichtwelt gekommen. Professor Cello fühlt sich federleicht. Der Leuchtturm wird wie eine Lichterburg hell erleuchtet. Das Licht kommt von zwölf Kerzen, die aufflammen und geheimnisvoll knistern. Professor Cello ist ganz geblendet und muss sich kurz die Hände vor die Augen halten. Solange, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt haben. Da hört er die helle, klingende Stimme, die ihn ruft. Diese Stimme hat ihn vor vielen Jahren schon einmal begrüßt. Ein hell strahlendes Wesen tritt aus der Tür des Leuchtturmes. Eine Göttin? Tatsächlich ist es die Lichtkönigin, die Hüterin allen Wissens.

Die Lichtkönigin ist so hell, dass sie immer noch hell leuchtet, auch als die Sonne aufgeht. Sie sieht den erfreuten Professor an und lächelt: »Ich habe dich erwartet!«

»Was für eine Freude, dass du mich wieder gerufen hast. Hast du eine neue Aufgabe für mich?«, fragt der Professor. »Woher wusstest du, dass ich gerade heute ausreiten werde?«

»Ich beobachte dich und Kevin schon seit Monaten! Kevin ist alt und schwach geworden!«

Der Professor nickt stumm. Seine Gedanken drehen sich nur noch um Kevin. Er hört gar nicht mehr zu, als die Lichtkönigin von ewigen unsichtbaren Landen erzählt, wo die Menschen und Tierseelen frei und glücklich sind. Und im Reich der Lichtkönigin im schönsten Paradiesgarten leben dürfen. Ein Reich der Liebe ist es, wie es nur jemand erschaffen kann, der die Menschen wirklich liebt. Nur schon durch ihr Erzählen sät die Lichtkönigin Stern um Stern und lässt die Menschenherzen blühen.

Die Strahlende lädt den Professor ein, den Leuchtturm zu betreten. Aus dem Fenster kann er nicht nur über das ganze Meer sehen, sondern auch die ganze Welt. Viele kleine Lichter wie kleine goldene Flammen leuchten überall auf der Welt. Das sind die Sternenkinder, Lichtkinder oder auch Kristallkinder genannt, welche für die Lichtkönigin arbeiten, auch wenn sie noch so klein sind. Sie tragen das Licht der Lichtkönigin in sich und verbreiten es über die ganze Welt, auch wenn sie es gar nicht wissen. Diese Kinder sind Avatare. Sie sehen in die Himmelswelt und können eine Brücke von unserer sichtbaren Welt in die unsichtbare Welt schlagen.

Eigentlich tragen alle Kinder und auch die Erwachsenen das helle, strahlende Licht der Lichtkönigin in sich. Nur glauben viele Menschen einfach nicht an das kraftvolle Licht der Lichtkönigin. Sie suchen es gar nicht. Immer wenn ein Mensch den Frieden in seinem Herzen gefunden hat, hilft das magische Licht der Lichtkönigin ihm, den Weg in die unsichtbare Welt zu leuchten. Das Licht beschützt auch die Menschen vor den Seelenräubern.

Seelenräuber sind Menschen, die das Böse auf der Erde verbreiten wollen. Sie stehlen den Menschen das Seelenlicht, machen aus ihnen Schattenwesen. Schattenräuber sind also Menschen ohne Herz und Seele. Sie sind wie zerstörende Roboter, schlagen alles kaputt und töten sogar ihre Mitmenschen. Sie bringen die Welt aus dem Gleichgewicht und alle müssen dadurch leiden.

Deshalb weiß niemand, wo die Kinder der Lichtkönigin geboren werden. Denn sofort würden die Schattenräuber ausgeschickt werden, um nach ihnen suchen. Schattenräuber können sich gut tarnen und sich blitzschnell in Menschen verwandeln. Um die Menschen einzufangen, sind sie zuerst ganz lieb und nett, lügen und versprechen das Blaue vom Himmel. Obwohl sie überhaupt nicht daran denken, ihre Versprechen einzuhalten. Doch unerwartet, wenn jemand nicht die gleiche Meinung hat und ihnen nicht mehr dienen will, zeigen sie ihr wahres Gesicht, das böse und gemein ist. Sie wollen nicht, dass die Menschen in das herrliche Licht eintreten können, denn dann würden sie die Macht über die Menschen verlieren.

Professor Cello fühlt sich federleicht und von Licht erfüllt. Ihm ist, als hätte das gesamte Universum, das ganze Reich der Lichtkönigin in seinem Herzen Platz. Sein Herz brennt vor Glück. Ein Gefühl von Frieden und Seligkeit singt in ihm. Auch die ganze Natur scheint an diesem Ort vor Freude zu jauchzen. Der Professor ist erfüllt von höchster Glückseligkeit, wie er es noch nie erlebt hat.

Da hat die Lichtkönigin eine Bitte an den Professor.

»Mein Freund!«, fängt sie mit sanfter Stimme an zu sprechen. »Dein Pferd ist nun alt und schwach geworden. Wenn du mir dein Pferd Kevin schenkst, dann wird es auf der Erde sterben. Aber in meinem Reich wird es neu geboren werden. Es wird das besondere Pferd bleiben und mit mir durch den Himmel fliegen! Das würde mich sehr glücklich machen!«

Professor Cello sieht sie entgeistert an. Er ist wirklich wie vom Blitz getroffen. Verlegen tritt er von einem Fuß auf den anderen. Rückt seine Brille zurecht. Sein Herz schlägt schwer, sehr schwer. Es ist, als sei er unschlüssig, was er antworten soll. Da sieht er einen schönen Vogel blitzen, alle Farben scheint der schöne Vogel zu besitzen.

»Oh Vogel, was soll ich antworten?«

»Oh Freund!«, antwortet er. »Das Glück deines Pferdes ist bei der Lichtkönigin überall, im Berg, im Tal, in der Blume, im Kristall.« Mit diesen Worten schüttelt der Vogel sein Gefieder und fliegt davon.

Mit Tränen in den Augen antwortet der Professor: »Es ist für mich sehr, sehr schmerzhaft, mich von meinem wunderbaren Pferd zu trennen. Kevin ist einmalig. Doch ich sehe, dass Kevin alt und schwach geworden ist. Mein Pferd Kevin schenke ich dir von Herzen, wenn es dir dienen kann!«

Kaum gesagt, geschieht etwas Ungewöhnliches. Ein Summen kommt näher. Professor Cello schaut sich erstaunt um. Der Boden fängt an zu zittern. Da ergreift ein Zischen und Wallen das Pferd. Kevin verwandelt sich in ein wunderbares, leuchtendes Himmelspferd und wird durchsichtig wie eine große Seifenblase. Wie ein leuchtender Stern hebt sich das geflügelte Pferd aus dem sterblichen Pferdekörper. In der Lichtwelt ist Kevin neu geboren worden.

Mit einem strahlenden und einem tränenden Auge fragt Professor Cello die Lichtkönigin: »Wie kann ich nun ohne mein Pferd den Eremiten in seiner Klause besuchen?«

»Nun musst du die Weisheiten in deinem Herzen finden! Der Eremit wird dich immer finden und dir ein Zeichen geben. Du musst nur genau hinhören und hinschauen. Du und viele andere auch haben viel Gutes für die Menschen getan. Doch viele sind sich dessen nicht bewusst. Eine neue Zeit ist angebrochen, die jungen Leute fürchten um ihre Zukunft und sind mit den Alten nicht mehr zufrieden. Heute dreht sich alles um Konsum. Die ganze Gesellschaft ist getrieben, ständig Dinge zu konsumieren, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Das will ein Teil der jungen Leute ändern. Doch wie das gehen soll, das wissen sie nicht. Man muss immer etwas geben, um etwas Neues zu bekommen. ›Geben und nehmen‹, heißt das Sprichwort. Ich werde drei Stellvertreterkinder in die Unterwelt schicken. Sie müssen eine Lichtbrücke bauen.«

Professor Cello atmet tief durch und schluckt die Tränen hinunter. Sprechen kann er nicht. Er nimmt kaum wahr, dass sich die Lichtkönigin ausgiebig für das Geschenk, Kevin, bedankt.

Als er die Worte wiederfindet, würde er gerne fragen, wie das mit den Kindern zu verstehen ist, welche in die Unterwelt geschickt werden. Eigentlich war das ja über Jahre seine Arbeit. Doch die Lichtkönigin besteigt das Himmelspferd, schlingt die Arme um dessen Hals, hebt ab und fliegt mit Kevin durch die Lüfte, hoch bis zur Sonne empor, ins ewige Land der Herrin. Mit ihr fliegt auch das helle strahlende Licht davon. Auf ihrem Flug verteilt sie Sonnenstrahlen für die Mutter Erde. Viele kleine Wichtelmännchen steigen aus dem Boden herauf. Sie nehmen von dem Glanz und tragen ihn wie kleine Flämmchen freudig hinunter in die Erde.

Ein Wichtelmännchen kichert: »Das tut der Mutter Erde gut und gibt ihr frischen Mut.«

Und sie tanzen vor Freude, so wie nur Wichtelmännchen tanzen können. Die Kerzen erlöschen im Leuchtturm. Doch die Sonne wirft lächelnd ihre goldenen Strahlen auf die Erde zurück.

Beim Flug im unsichtbaren Reich sieht Kevin einen wunderbaren Garten. Es ist der Paradiesgarten. Hier leben alle Tiere, auch alle verstorbenen Haustiere. Der Garten wird von Engeln bewacht und die Tiere sind hier sehr glücklich. Unter einem Lichterbaum ganz nahe am spiegelglatten Silbersee döst ein Einhorn. Es ist sehr erfreut, als es die Lichtkönigin mit Kevin sieht.

Das Einhorn ist wie ein weißes Pferd mit Zauberkraft. An der Stirn hat es ein spiralförmiges Horn. Das Horn steht für die himmlische Kraft. Das Einhorn ist das reinste Wesen, deshalb kann es in der Himmelswelt und der Erdenwelt gleichzeitig sein. Es ist so schnell und intelligent, dass es unmöglich ist, es einzufangen. Das Einhorn spürt die Reinheit des Herzens. Daher sucht es sich die Menschen sorgfältig aus, mit denen es in Kontakt treten will. Nur die Menschen mit guten Absichten und einer reinen Seele können es in den Träumen sehen und seine Sprache verstehen. Für die anderen bleibt das Einhorn unsichtbar und stumm.

Professor Cello steht inzwischen in einem gewöhnlichen Leuchtturm und schaut über das Meer. Als er vor den Turm tritt, ist Kevin tatsächlich verschwunden. Der Sattel liegt am Boden. Der wunderbare Schmetterling sitzt darauf, als warte er auf den Professor. Schweren Herzen nimmt er den Pferdesattel und folgt dem Schmetterling, welcher wieder vorausfliegt und ihm den Weg durch den dichten Wald zeigt.

Unverhofft raschelt es im Dickicht. Durch die dichten Äste der Bäume schaut das Einhorn. Es war neugierig, den Professor zu sehen, welcher sein Pferd verschenkt hat.

Erst jetzt sieht der Professor mit entzücktem Staunen, wie stolz und schön sich die Bäume erheben und ihre Kronen von dem Licht durchdrungen sind. Was sein Herz hier schneller schlagen lässt und ihm den Atem raubt, ist nicht die Sonne, sind nicht die stolzen Stämme und ist nicht der Chor der Vögel. Der Wald hat eine unbeschreibliche magische Lichtaura, einen wunderbaren Lichterglanz. Der Professor legt den schweren Pferdesattel auf den Boden, lehnt sich für einen Augenblick an eine mächtige Eiche und atmet den Duft des Waldes ein.

Freudig schaut er dem Schmetterling zu, wie er tanzend herumfliegt. Dann richtet er seinen Blick zum Himmel, dorthin wo die Träume geschmiedet werden und auch wahr werden können. Seine Seele zittert vor Ehrfurcht.

»Ach, welche Geheimnisse verbergen sich doch im Himmel und auf Erden, alles ist so wunderbar und schön!«, murmelt er.

Was er nicht weiß, ist, dass sich das Einhorn in diesem besonderen Wald gerne bewegt, wenn es auf Erden ist. Da, wo es sich bewegt, bewirken seine Kräfte, dass alles schöner wird und es in der Luft feinere Schwingungen gibt, die wie Seifenblasen emporsteigen. Die dann vom Wind erfasst werden und sich über der ganzen Erde verbreiten.

Nach einer Weile nimmt Professor Cello den Pferdesattel und weiter geht seine Wanderung durch den dichten Wald. Etwas Wehmut über den Verlust seines Pferdes liegt in seinem Herzen. Der Wald wird lichter.

Eine weitere Stunde mag er gewandert sein, da sieht er am Waldrand einen alten Mann mit einem Eselskarren. In selben Augenblick fliegt der wunderbare Schmetterling dem Himmel entgegen.

Der Alte sitzt unbeweglich auf einer Bank. Sein Rücken ist gebeugt, das Gesicht von tiefen Furchen durchzogen. Wirr fällt ihm sein weißes Haar in die Stirn. Mit Erstaunen bleibt der Professor vor dem Greis stehen und fragt ihn nach dem Weg. Der Alte hebt sein Gesicht.

Mit funkelnden Augen sagt er: »Ich kann dir den Weg zeigen!« In seiner Stimme flüstern alle Stimmen des Waldes.

Professor Cello fühlt, wie die eigenartige klangvolle Stimme des Greisen sein Herz erleuchtet. Nur zu gerne nimmt der Professor das Angebot an.

»Leg deinen Sattel auf den Eselskarren. Wo kommst du denn her? Und wer bist du?«

Dann erzählt der Professor beim gemeinsamen Gehen seine erlebte Geschichte mit der Lichtkönigin. Was ihn sehr wundert: Der Alte ist gar nicht erstaunt, dass er sein Pferd der Lichtkönigin geschenkt hat.

»Wer bist du eigentlich?«, fragt Professor Cello.

»Ich komme aus dem Reich der Lichtkönigin. Aus dem Reich der Liebe, der Freude, der Herrlichkeit!«

In diesem Augenblick fangen die Augen des Professors an zu brennen. Er fängt an, die Augen zu reiben, dann muss er sie sogar schließen. Als er wieder sehen kann, ist der Greis verschwunden. Nur noch der Esel mit seinem Karren steht da! Seine Augen irren suchend und fragend hin und her. Hat er etwa nur geträumt? Nein, die Begegnung hat stattgefunden! Er läuft um den Eselskarren, um sich genau zu vergewissern, dass alles kein Hirngespinst gewesen ist. Der Pferdesattel liegt als stummer Zeuge auf dem Karren

+++ +++ +++

Die Bände der Reihe rund um Professor Cello, die Lichtkönigin und seine Freunde können unabhängig voneinander gelesen werden.

Textprobe: Mirjam Wyser

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