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    Leseprobe "Eine fast unanständige Frau"

von Andi LaPatt

Taschenbuch, 326 Seiten, ISBN: 978-3-945509-56-2

Inhaltsverzeichnis

Handbuch zum Schlussmachen
Der Stripper mit der Socke
Die Schlampe in mir
Ich geh’ in Flammen auf
Maserati zum Frühstück
Männern gibt man doch ein Küsschen oder zwei oder drei
Eine Nacht voller Liebe
Der beste Schefff von Allen
Crash Boom Bang
Der schlimmste Abend meines Lebens
Die schönste Nacht meines Lebens
Der Sturz aus dem Paradies
Jubel Trubel Heiterkeit
Mei, ist der groß
Drei Schneeflocken zuviel
Die Tücken der Technik
Die Beichte
Elektrisches Fieber
Golfen für Anfänger
Sommerregen
I do it my way
Umzug auf Italienisch
Einsichten eines Casanovas
Ein gewöhnliches ungewöhnliches Wochenende
Nummer 655

Handbuch zum Schlussmachen

Wie zur Hölle macht man richtig Schluss?

Gibt es dafür einen Leitfaden?

Ein Handbuch?

Oder eine Hotline, die ich anrufen könnte?

Oder nein, ich hab’s: gibt es dazu keine App fürs iPhone, die ich herunterladen und befragen könnte?

In der heutigen Zeit… man weiss ja nie.

Aber mal ernsthaft, wo bin ich da nur reingeraten?

Seit drei Jahren führe ich eine Beziehung mit einem Fernfahrer, der zwar niedlich ist, supernett und ganz schön heiß im Bett ist, aber vor allem eines nicht ist: anwesend. Einer, der immer davonläuft, wenn es kompliziert wird. Und in seinen Augen wird es oft kompliziert…

Ich habe in diesen drei Jahren den Vater von Karl glaube ich nur einmal gesehen, seine Freunde sind mir mehr oder weniger fremd, und meine Freunde fragen mich ständig, warum ich schon wieder alleine um die Häuser ziehe. Manche lachen meinen Beziehungsstatus auf Facebook aus: in einer Beziehung mit Karl Wertmeier. Karl, seufz, er ist wirklich ein wahnsinnig lieber Mann, einfühlsam, liebevoll und immer fröhlich. Wenn er nur nicht so oft weg wäre.

OK, wir telefonieren viel, schicken uns haufenweise SMS und haben tollen Telefonsex. Wenn Karl denn mal da ist, geht es im Bett so zur Sache, dass ich drei Wochen nicht mehr vernünftig gehen oder sitzen kann. Er nimmt das mit dem Aufholen vielleicht etwas zu ernst.

Zugegeben, ich führe eine Beziehung mit ihm, aber er irgendwie nicht mit mir. Für mich macht es jedenfalls den Anschein, als mache er sich ein schönes Leben. Moment mal, müsste eine Beziehung denn nicht auch ein schönes Leben sein? Hab ich da was verpasst? Auf jeden Fall fühle ich mich wie ein Single, gefangen in einer Beziehung. Es würde ihm wahrscheinlich nicht einmal auffallen, wenn ich meinen Teil der Beziehung aufgeben würde.

Ich liebe ihn, obwohl - tue ich das wirklich? Kann das wirklich Liebe sein? Oder ist es möglicherweise reine Projektion? Gut, es ist praktisch, einem Typen der mich anbaggert, zu sagen, er soll Leine ziehen, weil ich einen Freund habe. Aber irgendwann nehmen mich die Typen nicht mehr ernst, weil besagter Freund immer durch Abwesenheit glänzt. So musste ich schon vermehrt feststellen, dass meine Freunde mich verkuppeln wollen und dabei ganz vergessen haben, dass ich eigentlich liiert bin.

Seit Monaten geht mir das nicht mehr aus dem Kopf, ich bin ständig alleine. Das kann ich auch haben, wenn ich tatsächlich Single bin. Dann weiss ich wenigstens, warum ich alleine einschlafe und alleine aufwache, warum ich an den Sonntagen alleine bin und warum ich ein Single-Dasein friste. Aber so? So kann es nicht weitergehen.

In den letzten Wochen habe ich oft versucht, mit Karl zu reden, alles zu klären und auf einen neuen, einen gemeinsamen, Nenner zu bringen. Schon früher gab es ähnliche Gespräche, die wenig fruchteten. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass das keine Beziehung sei, die wir da führten. Seine Antwort war nur, dass er ein Fernfahrer sei, er könne nicht so lange an einem Ort verweilen und sich nicht festlegen. Sein Brummi wäre wichtig für ihn, die Weite, das Fahren, der Geruch nach Diesel, bla, bla, bla…

Anfangs hatte ich natürlich Verständnis. Wir Frauen, zumindest ich, neigen dazu, immer wieder zu hoffen, dass er sich ändert, wenn er einen nur genug lieben würde. Ich stelle fest, dass das eine der Hauptsportarten der Frauen ist, Männer ändern zu wollen, ich fröne dieser Sportart leider auch.

Offenbar hat es auf den Weiten der Landstraße Dinge, die interessanter sind als ich oder anders gesagt, ich muss anfangen, mir selbst ehrlich gegenüber zu sein und mit dem Quatsch aufhören. Ich meine, ich lüge mich selbst in die Tasche. Ich komme mir vor wie bei einer Hotline: „Please, hold the line, bleiben Sie bitte am Apparat…“ Mein Leben zieht an mir vorbei, während ich in der Warteschlange versaure, in der Hoffnung, Karl würde sich ändern und endlich mehr zuhause sein. Dabei sollte sich ein Mensch nicht ändern müssen, um zu seinem Partner zu passen oder von ihm geliebt zu werden. Es sollte doch auch so passen. Schließlich sind wir nicht in einem Katalog, in dem man bestellt, was man gerne haben möchte und es umtauscht, wenn es nicht passt.

Nur… es passt halt nicht. Ich kann es drehen und wenden wie ich will. Es ist nur schwer, sich das einzugestehen.

Wie lange soll das so weitergehen?

Wann ändert sich das endlich?

Ich meine – für mich.

Ändert sich überhaupt irgendwann einmal etwas?

Ich meine – mit ihm.

Ich hocke alleine Zuhause, auch an den Wochenenden und in den Ferien. Dabei würde ich gerne meine Freizeit mit Karl verbringen, so wie die anderen Pärchen eben auch. Ich kriege die ganze Palette der Pärchen-Epidemie um mich herum mit: Knutschen, Händchenhalten – das volle Programm. Viele haben keine Zeit, sich mit mir zu treffen, weil sie sich mit anderen Paaren treffen. Es ist wie eine Seuche. Ich kann es nicht mehr hören…

Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht wirklich richtig in einer Beziehung, aber auch nicht richtig Single. Irgendwie gehöre ich in keines der beiden Lager. Ich glaube, es ist endlich eine Entscheidung fällig. Entweder Beziehung mit allem drum und dran oder dann lieber Single. Dann kann ich wenigstens tun und lassen, was ich will.

So versuche ich nun seit Wochen, mit Karl zu reden bzw. mit ihm Schluss zu machen. Ich wäre ja eigentlich schon eine Stufe weiter. Wenn ich ehrlich bin, ist der Entscheid längst gefallen. Schlussmachen ist angesagt…, so der Plan,… Eigentlich.

Die berühmten „entweder oder Fragen“ ignoriert er gepflogen und lächelt mir nur ins Telefon, wenn ich ihm sage, ich könnte auf einmal weg sein, wenn er sich nicht besser um mich kümmert: „Wo willst du denn hin, mein Sonnenschein. Mein Brummi holt dich doch wieder ein. Du kannst gar nicht ohne mich sein.“

Ernstgenommen fühlt sich anders an. Ich schaffe es aber leider auch nicht, klar zu sagen, was mir fehlt oder was ich gerne hätte. Typisch, um den Brei herumreden, und Karl sollte hellseherische Kräfte besitzen, um herauszufinden, was ich eigentlich meine. Vielleicht ist es auch einfach die Angst vor der Ablehnung oder vor dem nächsten Schritt mit allen Konsequenzen.

In den Büchern oder in den Filmen geht das immer so einfach. Mir fehlt irgendwie noch die Lebenserfahrung, das richtig zu machen. Wie macht man „so was“ richtig? Ich übe also vermehrt vor dem Spiegel und komme mir dabei ziemlich blöd vor. Was sage ich nur? Der Spiegel gibt keine Antwort, wenn ich mit ihm rede, und so kann ich mir das Gespräch natürlich hinbiegen, wie ich das möchte. Jedes Mal lande ich bei einem Happy-End und nicht wirklich beim Beenden einer Beziehung. Ob Karl mich mit den Lockenwicklern im Haar ernstnehmen würde, ist eine zweite Frage.

Karl macht es einem aber auch nicht einfach. Sein Charme, sein Lächeln, ich werde jedes Mal schwach. Dieses Lächeln – es ist schon fast krankhaft. Karl lächelt einfach immer. Am Anfang findest du das noch charmant und nett. Alle meine Freundinnen sind ihm verfallen, sie schwärmen ausnahmslos alle von seinen tiefblauen Augen und seinem unwiderstehlichen Lächeln, seinen Grübchen und den Lachfalten rund um die leuchtenden Augen. Mit seinen auffallend blauen Augen, die durch seinen dunklen Teint verstärkt werden, und seiner ewig sonnigen Art wickelt er schlicht und ergreifend alle um den Finger inklusive Männer.

Kein Witz.

Leider.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Karl in einem Lokal für mich die Bestellung für ein Getränk aufgeben musste, weil die Kellnerin ihm an den Lippen hing und mich partout übersah. Vielleicht wollte sie mich auch übersehen. Solche Begegnungen haben nicht gerade zur Stärkung meines Selbstbewusstseins beigetragen. Und Karl besitzt nicht die Sozialkompetenz, sich für mich stark zu machen oder klarzustellen, dass ich die Freundin bin. Er kostet die Situationen auch noch aus. Wenn ich leicht säuerlich darauf reagiere, kriege ich noch eins ans Schienbein, indem er mich lächelnd vor versammelter Mannschaft bloßstellt.

Dabei kommt mir der Satz wieder in den Sinn, „ich könne ohnehin nicht ohne ihn sein“. Wie – ich kann nicht sein ohne ihn, ich bin ja laufend ohne ihn. Bin ich egoistisch, wenn ich mir wünsche, dass er mehr Zeit für mich hat? Muss ich mir eingestehen, dass ich ihn so sein lassen soll, wie er ist und damit leben? Oder muss ich mir gegenüber endlich ehrlich sein und mir eingestehen, dass das nichts mit Liebe und Beziehung zu tun hat? Ginge denn nicht beides?

Der Gedanke, bald wieder Single sein zu müssen, fühlt sich scheiße an. Irgendwie existiere ich nicht für die Gesellschaft als Single. Man kann sich offenbar nur pärchenweise treffen. Vor allem die Frauen der Schöpfung kommen nicht auf die Idee, einen einzuladen bei einem Treffen unter Freunden, wenn du Singlefrau bist. Zu gross ist das Konkurrenzdenken, wenn Frau sich plötzlich ins Zeug legen müsste, weil ein verfügbares Weibchen im Revier herumwildert. Wobei ich von wildern weit entfernt bin – einfache Einladungen zum Grillen würden völlig ausreichen. Ich liesse dann meinen Jagdtrieb am Schnitzel auf dem Teller aus. Es gibt Frauen, die sich nicht gleich aus lauter Verzweiflung auf alles stürzen, was männlich ist, nur weil sie derzeit keinen Mann an ihrer Seite haben.

Ich suhle mich grad herrlich in einem von Meer von Selbstmitleid, als das Telefon klingelt. Es ist Karl: „Hallo Schatz, wie geht es dir? „Ich bin gerade an der Veltins-Arena vorbeigefahren und habe dir dein geliebtes DAB-Export (Bier) besorgt und einen Schalke-Schal.“ Ich strahle. Auf der Stelle sind alle guten Vorsätze vergessen. Manchmal hört er sogar zu, der Gute. Es ist verblüffend. Wir waren noch nie zusammen auf Schalke, ich musste da immer alleine hinfahren. Das ist doch eine beachtliche Strecke, wenn man bedenkt, dass ich am Bodensee wohne, und Gelsenkirchen nicht um die Ecke liegt. Karlchen konnte sich merken, dass ich DAB-Export-Bier liebe und meinen alten Schalke-Schal verloren habe. Ich will nicht überheblich klingen, aber das ist echt das erste Mal, dass Karl wirklich zugehört hat. Sonst geht es irgendwie immer nur um ihn und seinen Truck.

Dass Karl sich das merken konnte, überrascht mich sehr und stimmt mich glücklich. Und meine weiblichen Hormone schütten ausreichend Pheromone aus, um dumm genug zu sein, daran zu glauben, dass jetzt alles anders wird – dass alles besser wird. Dass er endlich mehr Zuhause ist, dass er...

Was so ein einfacher Schal ausmachen kann in bescheidenen Farben weiss-blau? Moment – halt, halt, halt, sofort Notbremse ziehen. Das hatten wir doch schon mal. Ich bin in einem tiefen Beziehungselend und hoffe auf Besserung, mache mir ernsthaft Gedanken und zack, sobald er anruft und mir ein Zückerchen hinwirft, greife ich gierig danach und vergesse einmal mehr jede Selbstachtung? Das geht exakt drei bis sieben Tage gut, dann stehen wir wieder am gleichen Punkt wie jedes Mal. Nein, da mach ich nicht mehr mit, Schalke-Schal hin oder her.

Ihr fragt euch, was ich eigentlich an Karl finde? Mittlerweile weiss ich das auch nicht mehr so genau. Aber wenn Amors Pfeil trifft, dann schaltet sich manchmal auch das Hirn völlig aus und zwar für längere Zeit, drei Jahre um genau zu sein. Dabei ist er nicht mal eine Schönheit, der Karl. Und wenn ich ganz plakativ sein darf, wirklich gepflegt und ästhetisch ist er auch nicht. Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass es nicht immer nur auf das Äußere ankommt. Und wenn ihr mir jetzt unter die Nase haltet, dass er nicht viele innere Werte hat, muss ich euch sogar beipflichten. Er ist trotzdem kein schlechter Kerl.

Ich versuche, mit Karl am Telefon zu reden. Er säuselt mir das Blaue vom Himmel, er sei am Wochenende zuhause und wolle mit mir sogar zum Stadion gehen – in die AFG-Arena in St. Gallen. Der FC St. Gallen spielt gegen den FC Zürich, ein Spiel, das ich mir als Fußballfan der regionalen Mannschaft aus der 1. Liga natürlich nicht entgehen lassen will. Karlchen will mit mir zum Fußball gehen? Jetzt gibt’s schwarzen Schnee. Karl hasst Fußball. Dass er so weit gehen würde, erstaunt mich dann nun doch. Normalerweise wollen die Männer zum Fußball, und die Frauen tun sich damit schwer, aber bei uns ist das umgekehrt. Karl nervt sich, wenn ich mich bei der Fußball-WM am TV aufführe wie ein wild gewordener Hooligan. Bierchen in der einen Hand, Popcorn in der anderen. Das hätte so nichts Frauliches, meint er dann, und überhaupt, er mag keinen Fußball, schon gar nicht die deutsche Nationalmannschaft, die mir persönlich sehr am Herzen liegt.

Andere Männer würden sich alle zehn Finger ablecken, wenn ihre Frau mit ihnen Fußball schauen würde. Ich erwische ausgerechnet ein Exemplar, das mit den Männer-Sportarten so gar nichts anfangen kann. Auch die Moto GP schaue ich mir alleine an – eine verkehrte Welt. Vielleicht hätten mich aber gerade solche Dinge darauf hinweisen sollen, dass Karl der falsche Mann für mich ist.

Dass er jetzt mitkommen will ins Stadion, halte ich im Moment für ein wirkliches Wunder. Und ein weiteres Mal bin ich dumm alles von ihm genug zu glauben und auf seinen Charme hereinzufallen. Vielleicht sind ja noch weitere Wunder möglich, wer weiss. Karlchen gibt mir Dutzende von Telefonküsschen und sülzt mir die Ohren voll, wie sehr er sich auf mich freue.

Es ist Mittwochabend, und nach dem Telefongespräch mache ich mich gleich auf, Tickets für den Samstag zu besorgen. Ich möchte sichergehen, dass wir im Fansektor Platz haben. Ich will ja, dass meine Freunde mich mit Karlchen sehen. Seit meinem zehnten Lebensjahr gehe ich immer wieder ins Stadion, um die Mannschaft in grün-weiss anzufeuern.

Wenig später habe ich die Tickets und kann es kaum erwarten, bis es Freitagabend wird. Noch einmal schlafen, dann kommt er heim, und zum ersten Mal in drei Jahren schafft er es sogar, mit mir ins Stadion zu gehen. Meine Leute werden Augen machen. Ha, ich freue mich. Nichts mehr mit blöden Sprüchen, ich wäre ständig alleine unterwegs. Verflogen auch die Idee, mit Karl Schluss zu machen. Eigentlich, wie immer seit Monaten. Warnsignale aus der Bauchgegend ignoriere ich erfolgreich.

+++ +++ +++

Textprobe: Andi LaPatt

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