Leseprobe "Nachbeben"
von Sybille Statz
Taschenbuch, ca 300 Seiten, ISBN: 978-3-96050-199-2
1. Kapitel
»Wahrheit ist unser kostbarster Besitz.
Lasst uns sparsam mit ihr umgehen.«
(Mark Twain)
Dieser Tag gehört in die Änderungsschneiderei!
Womöglich mein ganzes Leben.
Aber eins nach dem anderen.
Eine Stunde und dreizehn Minuten. So lange ist es jetzt her, dass sich in meinem Browserverlauf Eingaben wie »Sextoys für sie & ihn« verirrt hatten, dass ich das offene Ohr für meine Freundinnen war, die sich über schief gelaufene Dates ausweinten und dass ich mir für spießige Partys nicht umsonst die Beine rasiert hatte, weil ich unter simulierten Kopfschmerzen abhauen konnte, zurück in ein angewärmtes Bett.
Eine Stunde und inzwischen fünfzehn Minuten sind vergangen, seit ich eine gesunde, geradezu besorgniserregend durchschnittliche Beziehung mit einem Mann hatte, den ich liebte.
Und immer noch liebe.
Genau das ist mein Dilemma.
Es fing alles in dieser Straßenbahn an.
Genau genommen mit einer Zitrone – nein, einer Biozitrone.
Lassen Sie mich noch mal von vorne anfangen.
Ich, Leila Sternenberg, neunundzwanzig Jahre und eintausendeinhundertsechzehn Tage alt, war auf dem Weg besagte Biozitrone zu kaufen, um einen Kuchen zu backen.
Meine Freundin Christin feiert heute ihren zweiten Geburtstag bei den Anonymen Alkoholikern. Dem Anlass gebührend musste mein berühmt-berüchtigter (Rezept 1:1 von »Chefkoch.de« übernommen) New York Cheesecake herhalten.
Ich spreche normalerweise kein Bio, aber ich beschloss, ausnahmsweise auf die Ökowarnungen aus den Gesundheitsblättchen zu hören, die ich sonst nur als Ausgleich für wackelnde Tischbeine benutze.
Drei Stationen, bevor ich aus der Tram Linie 12 Richtung Berlin Mitte, wo ich mir unter Ellbogeneinsatz einen Fensterplatz ergattert hatte, aussteigen musste, traktierte eine Hunkemöller-Einkaufstasche meine Wade.
Einverstanden, dachte ich, wenigstens häutet dich eine Frau annehmbaren Geschmacks.
Geblendet von Sonnenstrahlen, schloss ich meine Augen.
Neben einer Geräuschkulisse aus Plastiknägeln, die auf ein Display prasselten, fiel Abschalten allerdings nicht leicht.
Ich hätte es ignorieren sollen. Einfach ignorieren.
Wir Grundschullehrerinnen sind schließlich einiges gewohnt.
Schnalzende Kaugummiblasen, Geodreiecke, die Enthüllungen wie »Anni ist ein Furz« in Tische verewigen; da ist auf Durchzug schalten ein Mittel, das so manchen davon abhält, seine Thermoskanne mit etwas Härterem als Kaffee zu befüllen.
Von Neugier angetrieben, ob der Nagellack zu meiner lauten Nachbarin passt, warf ich einen Blick auf den gepeinigten iPhone-Bildschirm und beging damit den größten Fehler meines Lebens. Die Nachricht konnte ich auf die Schnelle nicht lesen, wollte es zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht.
Bis das Dialogfenster geschlossen wurde, abgelöst von einem Hintergrund, der mein Gesicht seiner Farbe beraubte.
Er war es.
Der Mann, mit dem ich seit vier Jahren mein unscheinbares, bis dahin gar nicht so übles Leben teile.
Der Mann, der mich huckepack nach Hause trägt, wenn mir die Füße wehtun.
Und mir zweimal im Quartal die Haare hochhält, wenn ich mal wieder einen über den Durst getrunken habe und mich nicht anfährt mit Sätzen wie: »Kennst du echt IMMER NOCH NICHT dein Limit?«, die seine Vorgänger so gerne von sich gegeben haben.
Der seinen Job riskiert, indem er Gästen das letzte Dessert versagt, um es mir nach seiner Schicht zu servieren.
Eindeutig Lennard. Mein Lennard!
Arm in Arm mit der stolzen Besitzerin acht roter Plastiknägel (zwei davon mutmaßlich bei Schlafzimmerspielchen mit meinem Freund abgewetzt).
Ihr Handy verschwand in ihrer giftgrünen No-Name-Handtasche, als hätte es nichts mit dem Untergang meines Privatlebens am Hut. Lennard sah glücklich aus.
Seine Grübchen führte er aus, während die Person daneben frivol ihre blau verfärbte Zunge rausstreckte, beide Arme um ihn geschlungen wie ein Äffchen.
Das Ganze spielte sich nicht irgendwo ab, es musste vor einer Eisdiele sein, unserer Eisdiele.
»Süße Sünde«, der Gipfel der Dreistigkeit.
Die schwebende Engelsfigur vor der roten Wand erkannte ich sofort wieder.
Nicht mal das Land oder wenigstens die Stadt haben sie verlassen, um mich zu hintergehen.
Obendrein am helllichten Tag, wo sie jeder – mich eingeschlossen! – hätte sehen können.
So wenig Aufwand zu betreiben, nicht erwischt zu werden, ist fast verletzender als der Betrug an sich.
Aber auch nur fast.
Lennard trug auf dem Bild mein Geschenk zu unserem ersten Jahrestag.
Eine im Internet ersteigerte Uhr, original aus den 60ern.
Lässig hing sie an seiner Hand, die nun die Taille der anderen Frau umfasste.
Besonders religiös war ich nie. Doch in diesem Moment betete ich zu allen Göttern, die mir einfielen, mich nicht als Talkshowgast enden zu lassen. Die Schlagzeilen waren zum Greifen nah:
»Törichte Frau kauft Biozitrone – ihr Mann hat eine Affäre« … »Frau mit blauer Zunge spannt Frau mit normaler Zunge den Mann aus« ... »Eisdielen sind die neuen Motels: Ein Inhaber bricht sein Schweigen«.
Mit den Zähnen runtergerissene Unterwäsche, aufsteigendes Adrenalin, der Alltag gerät in Vergessenheit.
Die Bilder verfingen sich in meinem Kopf, saßen fest wie eine Frisbeescheibe in einer Baumkrone. Man würde meinen, es läge nah, die Frau, die dem eigenen Freund die Mittagspause versüßt, zur Rede zu stellen. Weit gefehlt.
Versteinert wie eine verdammte Vollidiotin saß ich nur da. Dann ging's los.
Ich tat, was jeder bis ins Mark verzweifelte Mensch tun würde: Ich begann Fantasieschlösser zu bauen.
Oder wie ich in diesem Moment fand: nach vernünftigen Erklärungen zu suchen.
Was, wenn Lennard ein Zwilling ist?
Jawohl, so wird es sein!
Aber warum hatte er ihn nie erwähnt, wenn er sogar in der gleichen Stadt wohnt?
Das war ein altes Bild. Viel naheliegender.
Bestimmt hatte er vor unserer Zeit mal mit ihr geflirtet und sie dehnte den Begriff »Grenzen« zu ihren Gunsten aus.
Eine armselige Stalkerin, die dringend professionelle Hilfe benötigt, saß neben mir.
Und was ist mit der blöden Jahrestagsuhr?
Die zu erklären wurde am schwierigsten.
Vorläufiges Urteil: Schizophrenie.
Er brauchte mich jetzt dringender als je zuvor.
Und ich hatte rettungslos meinen Verstand verloren, wenn ich es schaffte, mir diesen Nonsens mehr als eine Sekunde lang glaubhaft zu machen.
Mir gelang es für volle vier Minuten.
Unweigerlich folgte die Konfrontation mit meinem schwachen Selbstbild.
Wurde ich zu den Frauen, über die ich mich bisher lustig gemacht habe?
Ein konfliktscheuer Punchingball, mit erkaltetem Essen wartend, der sich beschwichtigen lässt mit Ausreden wie: »Ich stecke wieder im Stau fest, Schatz«?
Ein Stoß mit der Hunkemöller-Tüte riss mich kurzzeitig aus meinen Gedanken.
»Oh, Verzeihung!«
Meinen Freund zu verführen war nicht zu verzeihen.
Noch weniger, diese Schandtat mit Selfies zu dokumentieren und am besten gleich auf Instagram zu posten. Ich schüttelte kurz den Kopf, um ihr zu bedeuten, dass alles gut sei.
Nie hatte ich mich kleiner gefühlt. Dann sah ich nach oben.
Blond. Natürlich war sie blond.
Die bessere Haarfarbe.
Hitchcocks Beuteschema.
Die lebenslange Garantie, nie selbst Reifen wechseln zu müssen.
Ob sie besser im Bett ist? Selbstfolter, Klappe die zweite.
Abartige Techniken, die die Biegsamkeit einer Schwimmnudel sowie ein festgelegtes Safe Word gebieten, darauf stehst du also, Lennard?
Richtig, eine Exhibitionistin im Trenchcoat habe ich dir nie vorgesetzt.
Nicht, dass ich es nicht oft erwogen hätte. Aber dann war ich entweder zu vollgefressen oder es lief im Fernsehen ein 90er-Thriller, den sie nur noch selten ausstrahlen. Und wenn ich mir nun eine Blasenentzündung eingefangen hätte? Oder du gar nicht zu Hause gewesen wärst?
Schatz, bist du JETZT zu Hause und bleibst es auch? Och, nur so! Das hätte sicher den Überraschungseffekt zunichtegemacht.
Insgesamt dreimal habe ich Lennard inzwischen angerufen, jedes Mal abgebrochen.
Wenn ich ihn damit konfrontiere, wird es real.
Und ich kann nicht mehr so tun, als seien die letzten zwei Stationen jemand anders passiert.
Wozu schlafende Hunde wecken?
Zu Hause angekommen, ohne Biozitrone, dafür mit Magenschmerzen und offenen Fragen, suche ich nach Beweisen.
Lennard arbeitet noch. Angeblich.
Arbeiten bis spät in die Nacht, das kommt bei Köchen schon mal vor. Sehr praktisch.
Wir wohnen nicht offiziell zusammen. Nur ich stehe im Mietvertrag.
Seine Wohnung wollte er untervermieten und bei mir einziehen, tat es aber nie.
Er sprach immer nur davon, so lange, bis es lächerlich wurde, das Thema überhaupt noch mal zu erwähnen.
Schlagartig ergibt das Sinn.
In diesem Moment liebe ich mich dafür, dass ich nicht den Rat meiner Freundinnen befolgt und ihn darauf festgenagelt habe, hier formell einzuziehen.
Bei meiner Bekannten Sandra ist das nämlich alles andere als schön verlaufen, als die sich von ihrem rechtlich abgesicherten Mitbewohner getrennt hat.
Unschuldige in Tomatensoße getränkte Prada-Schuhe wurden hineingezogen!
Ich kriege gar nicht mehr zusammen, worum es dabei genau ging.
Glaub, Sandra hatte zuvor Matzes Surfwachs weggeworfen.
Dabei hatte er nicht mal ein Surfbrett, soweit ich weiß.
Gut, dass mir so was erspart bleibt. So bin ich frei, meiner Wut Ausdruck zu verleihen.
Lennards Sachen sollen durchs Fenster fliegen!
Die Nachbarschaft wird mit hoher Schallfrequenz ins Bild gesetzt! Wollte schon immer so einen Auftritt haben.
In meinem Kopf waren derartige Fremdscham-Szenarien allerdings immer lustiger als jetzt, wo ich sie tatsächlich umsetzen kann. Dieser Fehltritt sollte brennende Wut entfachen.
Wilde Entschlossenheit, mein Leben neu zu ordnen.
Et moi? Ich stehe neben mir bzw. jemandem, der aussieht wie ich (nur fahler), panisch vor dem was kommt, wenn Lennard durch diese Tür steigt.
Auf der Suche nach Indizien wie Zweithandys, Kondomen und verschlossenen Schubladen gehe ich leer aus. Boxershorts, DVDs, Lebensmittel; alles kriegt einen Düsenantrieb verpasst, was sich mir in den Weg stellt.
Nichts.
Hat er gar nichts zu verbergen und ich bin manisch oder ist er schlau genug, sein Zweitleben nicht ausgerechnet in der Wohnung seiner Freundin zu horten?
Urgh!
Meine Magenschmerzen waren also noch steigerungsfähig.
Beim Auseinandersetzen mit Trennungsgedanken scheitere ich kläglich.
Erst presse ich aus Google »zusammenbleiben trotz Affäre?« raus, der nächste Viertelstundenschlag trichtert mir Dankbarkeit ein; besitze immerhin halbwegs reine Haut und eine freistehende Badewanne.
Die Kraft des positiven Denkens ist kein verlässlicher Besucher in meinem limbischen System.
Revue-passieren-lassen spaziert wieder durch die Drehtür.
Es war zweifellos Lennard.
Diesen Zwillingsbruder mit einer Vorliebe für Eiscreme und Schlampen hatte er bedauerlicherweise nie erwähnt.
Einziger Strohhalm: Das Bild hat das Verhältnis zu mysteriöser Frau nicht eindeutig offengelegt.
In der Welt zirkulieren etliche Fotos vom Homo sapiens Arm in Arm mit seinen Geschmacksverirrungen.
Meist verbucht unter der Kategorie »nur eine gute Freundin«, ein Klang, artverwandt mit dem Summen einer Mücke (Gefahr! Gefahr!).
Weshalb sollte sie nicht auch darunterfallen?
Freilich reden wir hier über eine Frau, die nicht sonderlich unattraktiv ist.
Groß, langes blondes, weich-welliges Haar und eine sehr weibliche Figur.
Nicht der Typ für das Vorher-Bild. Aber auch nicht Lennards Typ.
Er steht auf kleine Brünette, die seinen Beschützerinstinkt wecken. Er steht auf mich.
Warum dann das Versteckspiel?
Ist ein ehrliches Gespräch mit mir denn wirklich so eine Qual?
Ich bin nicht selbstmordgefährdet. Oder eine Furie, nur in Kombination mit Arsen bekömmlich.
So ein Verhalten habe ich nicht verdient!
Ich war immer treu.
Hey, sogar meinen Look habe ich weiterentwickelt!
Mal Locken, mal glatt, mal Stufen, sogar dieses Balayage habe ich ausprobiert.
Ging kolossal in die Hose.
Haare sahen nach sechs Stunden Hintern platt sitzen ab dem Kinn sehr verärgert aus.
Schlappe 235 Euro von meinem Lehrergehalt durfte ich hinblättern für ein:
»Ist das ein schöner Karamellton! Alina, sag unserer Kundin auch, wie schön die Farbe geworden ist!« – »Oh ja! Und KEIN bisschen rot!«
Auf meine Figur habe ich auch immer zu achten versucht.
Gut, zwar darf ich ohne Bedenken Blut spenden.
Aber! Meine Erscheinung provoziert in Aufzügen keine bangenden Blicke auf das Hinweisschild
TRAHFÄHIGKEIT IN KG.
Eine Zeitlang war ich sogar joggen. Doch, ehrlich!
Nur ging mir das ziemlich auf die Knie.
Und erst dieses »Jogger-Face«-Risiko!
Dem entgeht nur, wer sein Gesicht mit einem Kompressionsverband fixiert.
Ansonsten heißt es eines Tages: oben französische Bulldogge, ab Hals abwärts Sylvie Meis.
Hinzu kommt das erhöhte Zeugenrisiko.
Ständig schallt es aus dem Radio:
Die Leiche wurde am frühen Morgen von einem Jogger (!) im Wald gefunden.
DRRRING! DRRRING! DRRRING!
Lennard würde nicht klingeln. Er hat einen Schlüssel.
DRRRING!
So viel Hartnäckigkeit verdient einen missbilligenden Fensterblick.
Gebe eine kleine Vorstellung ab von meinem achtzigjährigen Zukunfts-Ich, dem man nichts vormachen kann, seit Einlass eines als Heizungsinstallateur verkleideten Trickdiebs.
»Ich seh dich! Mach auf oder kauf dir Vorhänge!«
Maja, meine beste Freundin und Anwältin, hält vor meinem klapprigen Eingangstörchen ein Tablett mit Muffins in den Händen.
Die AA-Party!
Scheiße!
Die hatte ich total vergessen.
»Mensch, Leili! Was hat das denn so lange gedauert?!«, keucht sie sich die Stufen (ich wohne im ersten Stock) hoch.
Sie, die ihre engste Beziehung zu einem Crosstrainer hat, hält es für nötig, mir ein Zweite-Klasse-Gefühl zu vermitteln, nur weil ich in einem Haus ohne Aufzug lebe.
Unter ihrem Leopardenmantel trägt Maja ein silbernes Kleid, das weniger verdeckt, als wenn sie gar nichts anhätte.
Die langen roten Haare sind hochgesteckt, bis auf zwei wellige Strähnen, durch die Aquamarin-Ohrringe durchschimmern.
»Du siehst ... na ja, wir haben ja noch was Zeit. Wolltest du nicht den Cheesecake machen? Wir können da nicht nur mit meinen dunkelbraunen Muffins hin. Sind nämlich Zitronenmuffins. Als ich sie in den Ofen geschoben habe, wurde ich wieder in den YouTube-Sog gezogen.
Wusstest du, dass man mit Yoga mehr Fett verbrennen kann als mit joggen?«
Maja scheint mein fabriziertes Riesenchaos gar nicht aufzufallen, was mehr über mich aussagt als über sie. Seit einigen Jahren sind wir beste Freundinnen. Warum, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich sie brauche. Sie ist der ehrlichste Mensch, den ich kenne, was ihre Gesellschaft nicht immer erträglich macht.
»Ich glaube, Lennard betrügt mich«, unterbreche ich Majas Schwüre auf Buttermilch, die prompt ihr Tablett fallen lässt.
Beim dumpfen Aufprall sind wir beide verdutzt über den Verbrennungsgrad der Mitbringsel.
Die perfekte Mordwaffe für Lennards Steinigung.
Setze Maja ins Bild und füge mich ihrem Vorschlag, Wodka zum neuesten Grundnahrungsmittel zu ernennen. Unsere vorerst letzte Chance, der Realität zu entfliehen.
Auf der »Party«, der wir gleich beisitzen, wird es keinen Tropfen Alkohol geben. Und wenn ich eins nicht kann, dann Lennard stocknüchtern gegenübertreten.
Vom Fenster aus sehe ich Maja zu meinem Stammkiosk hechten.
Ich muss mich irgendwie sammeln, bis sie wiederkommt.
Aufräumen wäre auch nicht schlecht, sonst nehme ich Lennard den unbequemsten Teil des Gesprächs aller Gespräche ab: das Ansprechen.
Geschlachtete Zuckerstreuer und rausgerissene Schubladen schreien nicht gerade nach Ohrringverloren oder Frühjahrsputz.
»Heyhey! Ich hab uns ein Fläschchen destillierten Gehirnurlaub mitgebracht!«
»Hast du nicht vor, das aufzufegen?«, entgegne ich Maja, die einen riesigen Schritt über die Muffinkremation macht, als würde sie einen mitreißenden Fluss überqueren.
»Liebes, dein Freund bumst eine andere und du machst dir Sorgen um deinen Fußboden?«
Ich hasse dieses Wort. Und ich hasse Maja. Weil sie recht hat.
»Der Kioskmann ist ja komisch! Der ist richtig wütend geworden und hat auf Spanisch geflucht, als ich ihm verklickert habe, dass er Schokolade im Gesicht hat.«
»Das ist ein Muttermal. Und er ist Portugiese.«
Rollende Augen und Schraubverschlüsse treiben den Abend voran.
Auf Tele5 läuft »Scarface«, fortan umgemünzt in ein Trinkspiel, das bei jedem Schusswechsel zwei Nackenakte erwirkt.
PENG!
Auf ex!
PENG! PENG! PENG!
Ex! Ex! Ex!
Sehr viele Schüsse später torkeln wir auf die AA-Party zu.
Da die Feier am Kreuzberg der Welt ist und Maja mich überreden konnte, High Heels anzuziehen, teilen wir uns ein Taxi.
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